Offiziere fördern den Rassismus der Truppe

■ Ralf Siemens („Kampagne gegen Wehr- pflicht“) zu Fremdenhaß in der Bundeswehr

taz: Kam der Übergriff der Bundeswehrsoldaten in Detmold für Sie überraschend?

Ralf Siemens: Nein. Überraschend war nur, daß sich Bundeswehrsoldaten öffentlich als Sturmtruppe formieren konnten. Dies ist eine neue Qualität. Bislang gab es nur einzelne Übergriffe gegenüber Ausländern seitens der Soldaten während und außerhalb des Dienstes.

Sie haben in Ihrem Beratungsbüro oft mit Bundeswehrsoldaten nichtdeutscher Herkunft zu tun. Was wird Ihnen von denen berichtet?

Hauptsächlich höre ich solche Geschichten, daß sie in den ersten Wochen mit verbalen Attacken schikaniert werden. Mit den üblichen Sprüchen wie „Kanake“ und „Schwarze Ratte“ oder ähnlichem. Sie werden in der Truppe nicht als Kameraden akzeptiert, sondern als Ausländer und Außenseiter behandelt.

Nun werden ja zunehmend deutschtürkische Jugendliche zur Bundeswehr eingezogen. Welche Erfahrungen machen die?

Es gibt Einheiten in der Bundeswehr, in denen Ausländerfeindlichkeit keine Rolle spielt. Aber es gibt leider auch viele Einheiten, in denen Ausländerfeindlichkeit von den Vorgesetzten gefördert wird. Das reicht von verbalen bis zu körperlichen Attacken.

Wie reagieren Sie darauf?

Zunächst haben viele Angst, an die Öffentlichkeit zu gehen, weil die Ausländerfeindlichkeit in einigen Einheiten sehr stark ist. Sie müssen befürchten, durch die sogenannten Kameraden kollektiv bestraft zu werden. Trotzdem empfehlen wir immer, mit ihren Fällen unbedigt an die Öffentlichkeit zu gehen.

Gab es schon Kriegsdienstverweigerungen wegen solch ausländerfeindlichen Vorfällen?

Ja. Zunächst haben die Leute versucht, einen Antrag zu stellen, entlassen zu werden. Und zwar schon deswegen, weil sie um ihre eigene Sicherheit fürchteten. Das wurde ihnen bislang immer verweigert. Als einziger legaler Weg bleibt somit die Kriegsdienstverweigerung.

Inzwischen sind auch zunehmend Jungerwachsene aus Ostdeutschland in der Bundeswehr, die während der neonazistischen Offensive in den frühen neunziger Jahren politisch sozialisiert wurden. Wirkt sich dies auf die Stimmung in der Truppe aus?

Unserer Beobachtung nach gibt es schon eine Veränderung des Klimas innerhalb der Bundeswehr, aber das hat auch mit der Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer weltweit operierenden Interventionsarmee zu tun.

In Krisenreaktionskräften ...

... wird Gewalt als ganz normales Mittel akzeptiert. Dort wird eine Stimmung gefördert, um bei den Soldaten die mentale Voraussetzung für weltweite Kampfeinsätze zu schaffen. Und das zeigt sich auch im Umgangston.

Ist denn die Bundeswehr überhaupt darauf vorbereitet, sich von einer deutschhomogenen hin zu einer multiethnischen Truppe zu entwickeln?

Davon kann überhaupt keine Rede sein. Interview: Eberhard Seidel-Pielen