Starke Truppe ramponiert das Image

■ Hardthöhe ist entsetzt über den Detmolder Überfall von Bundeswehrsoldaten auf Ausländer und greift gegen die Rekruten, von denen fünf für die SFOR-Mission in Bosnien vorgesehen waren, hart durch

Berlin (taz) – Sie hatten sich Motorradhauben über die Köpfe gezogen und hielten Baseballschläger in den Händen. Einige von ihnen trugen ihre Dienstuniform. Gespenstisch sah der Trupp der Männer aus, der sich Montag abend von der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne in Augustdorf auf den Weg in das 16 Kilometer entfernte Detmold machte. Mindestens neun Rekruten waren es, möglicherweise aber auch 15. Sie hatten nur ein Ziel: Ausländer verprügeln.

In der Fußgängerzone der lippischen Kleinstadt offenbar in angetrunkenem Zustand angekommen, trafen sie jemanden, der wenig blond und blauäugig aussah. „Kanacken raus aus Deutschland“, riefen sie, stürzten sich auf den Italiener, traten ihn mit schweren Stiefeln, schlugen ihm ins Gesicht und hielten ein Messer an seinen Hals. Bevor die Rekruten von ihrem Opfer abließen, erkundigten sie sich bei ihm, wo sie weitere Opfer antreffen könnten – und zogen weiter zum Markt. Dort fanden sie ihre nächsten Opfer: zwei Türken. Wieder Tritte, Schläge. Erst als die junge Truppe die Polizeisirenen hörte, ließen sie von ihnen ab.

Denn inzwischen hatte ein Passant den Notruf gewählt. Drei leichtverletzte Männer – so endete der Herrenabend, den sich die Mitglieder der „starken Truppe“ (Bundeswehr-Eigenwerbung) zu Wochenbeginn machten. Seit gestern sitzen die Wehrpflichtigen des 3. Panzeraufklärungsbataillons in Arrest.

Diethard Höbrink, der zuständige Staatsanwalt, beantragte Haftbefehl wegen Volksverhetzung, gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Landfriedensbruch. Major Uwe Hindsches, Vorgesetzter der zehn Schläger, findet die Überfälle skandalös. Mit einer moralischen Empörung läßt es die Bundeswehr nicht bewenden. Den Rekruten droht – unabhängig von einem Strafverfahren – nach dem Wehrpflichtgesetz die zwangsweise Entfernung aus der Truppe. Ihre unehrenhafte Entlassung stünde künftig auch im polizeilichen Führungszeugnis. Besonders pikant: Ursprünglich sollten sich fünf der zehn jungen Männer demnächst in einer Friedensmission bei den SFOR-Einheiten in Bosnien bewähren. „Sie sollten Ausländern helfen, ihr Land wieder in Griff zu bekommen“, meinte Bataillonschef Hindsches. „Selbstverständlich wird davon jetzt Abstand genommen.“ Auf der Hardthöhe zeigte sich Verteidigungsminister Volker Rühe von diesem Vorfall berührt. Er entschuldigte sich bei den Opfern. Zugleich aber bemühte er sich um Schadensbegrenzung: Der Vorfall sei kein Zeichen für Rechtsradikalismus in der Bundeswehr. Die jungen Soldaten seien „20 Jahre lang von der Gesellschaft geprägt worden und erst zwei Monate bei der Bundeswehr“.

Das Bonner Verteidigungsministerium hatte im Zusammenhang mit der Kontroverse um Auslandseinsätze der Bundeswehr stets betont, die an derartigen Operationen teilnehmenden Soldaten würden besonders sorgfältig ausgewählt. Jetzt erklärte ein Sprecher der Hardthöhe gegenüber der taz: „Der Eignungstest prüft keine Gesinnung. Dagegen würde sich ja auch jeder wehren.“ Es müsse genau untersucht werden, wie es zu diesen Vorfällen habe kommen können. Die Soldaten, von denen nach Auskunft von Alois Bach, Oberst im Generalstab der Bundeswehr, sechs aus dem Osten der Republik stammen, gehörten seit dem 1. Januar zu einem Panzeraufklärungsbataillon des Heeres. „Wir ahnden unabhängig von allem, was außerhalb der Bundeswehr zu diesem Fall zu sagen ist. Unser Ruf wird durch solche Fälle schwer beschädigt – das lassen wir nicht zu“, so Bach. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Claire Marienfeld, hatte gerade erst in ihrem Jahresbericht 1996 mitgeteilt, daß sie keine rechtsextremistischen Entwicklungen in der Bundeswehr habe feststellen können. 44 Fälle notiert der Rapport der Wehrbeauftragten, hauptsächlich waren Rekruten dafür verantwortlich. Meistens handelte es sich um „Propagandadelikte“ – worunter auch der Hitler-Gruß fällt. „Da verstehen wir keinen Spaß“, sagte Oberst Bach. Und: „Vielleicht würden solche Delikte im Zivilleben nicht geahndet. Aber wir haben schon zur Abschreckung andere Maßstäbe.“

Ein anderer Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte: „Seitdem in der Gesellschaft rechtsextreme Tendenzen erkennbar waren, haben Minister und militärische Führung immer wieder alle Vorgesetzten ermahnt, den Geist ihrer Einheit sorgfältig zu prüfen.“ Er fügte hinzu: „So etwas schadet der Bundeswehr extrem.“ roga/bg/JaF