Mit Übernahmen auf du und du

Eine feindliche Übernahme dieses Kalibers sei ohne Vorbild in Deutschland, wunderte sich ein Experte der Investmentbank Goldman Sachs über Krupps Vorhaben. In den angelsächsischen Ländern ist das anders. In den 80er Jahren hatten vor allem in den USA brutale Übenahmeschlachten stattgefunden. Die aufgekauften Firem wurden zerschlagen, profitable Teile verkauft, Finanziers verdienten sich eine goldene Nase.

Solch ein Szenario sei in Deutschland mehr als unwahrscheinlich, glaubt man bei Goldman Sachs, auch wegen der Kartellgesetze. So wurde der Versuch der Baufirma Hochtief blockiert, beim Konkurrenten Philipp Holzmann eine Sperrminorität zu erwerben. Krupp allerdings hat schon 1991 den Stahlkonzern Hoesch übernommen. Die ursprünglich feindliche Übernahme lief letztlich einvernehmlich ab.

Feindlich wird eine Übernahme genannt, wenn ein Unternehmen gegen den Willen des Managements aufgekauft wird. Der Käufer kauft entweder heimlich Aktien, bis er eine Sperrminorität hat. Oder er macht den Aktionären des begehrten Unternehmens ein Kaufangebot. Beim aktuellen Kurs der Thyssen-Aktie von 346,50 Mark würde die Mehrheit an Thyssen fünf Milliarden Mark kosten. Gestern nachmittag bot Krupp dann offiziell erheblich mehr: 435 Mark pro Aktie. Dazu braucht Krupp Kredite. Auch könnte Krupp eigene Aktien zum Tausch anbieten. In Deutschland sind derartige Übernahmen so selten, weil die meisten Unternehmen sich durch Überkreuzbeteiligung und wechselseitige Aufsichtsratsmandate gegenseitig in Schach halten. Insbesondere ohne die Großbanken, die als Großaktionäre oder für Anleger deren Stimmrecht ausüben, geht praktisch gar nichts. Eine Übernahmewelle steht daher nicht bevor.Nicola Liebert