Orson Welles' Krieger in der obersten Kulturliga

■ Justin Warfield sucht mit One Inch Punch den Weg zur Coolness und findet Funk und Kraftwerk

Der musikalische Fetisch, wenn nicht gar Phallus der letzten zehn Jahre heißt Funk. Funk ist Leichtigkeit, Flow, Groove – ein musikalisch-energetisches Offbeat-Prinzip, welches, zum „Way of Life“hochstilisiert, als Gegenmodell zu unserer nord-europäischen/-amerikanischen bürokratischen Steifheit und Schwere herhalten muß. Die zwar auch attraktive, aber in jedem Fall weitaus weniger Sex implizierende Alternative, Rhythmus zu zentrieren, heißt Kraftwerk und bildet seit langem den letzten Rettungsanker für alle bleichen Nerds, die einsehen, daß das mit dem Funk nicht hinhaut.

Auf der anderen Seite mußten und müssen wir mit ansehen, wie eine Unzahl betont entspannter Berufsjungendlicher mit aller Kraft versuchen, funky zu sein, ob über Kleidung und/oder über Musik. Das Ergebnis hieß und heißt Crossover und steht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, für den unbeholfenen Versuch, sich als Rockist in andere (in Ermangelung besserer Begriffe als „schwarz“bezeichnete) musikalische Tradition einzuschreiben.

Daß ein vordergründiger Slap-Baß nicht ausreicht, um aus Scheiße Gold zu machen, muß Justin Warfield allerdings niemand mehr erzählen. Der weiße Kalifornier hat seinen eigenen Crossover gefunden. Das begann mit dem unter eigenem Namen veröffentlichten Debüt, einem großartigen HipHop-Epos voll gerader „rockender“Beats und Warfields lakonischem Rap.

Drei Jahre später hatte er sich vollkommen vom HipHop abgewandt und wurde mit Supernaut wiedergeboren, einer deutlich im Material der 60er und 70er wildernden Rock-Formation. Nun hat Warfield ein neues Projekt gegründet, das sein bisheriges Schaffen bündelt und weiterführt. One Inch Punch steht für den kurzen, effektiven Schlag asiatischer Kampfkunst, und auch auf dem Cover thematisieren Warfield und sein neuer Kompagnon Gianni Garofalo Gewalt, seien es illustrierte Kampf-Positionen oder eine Serie von Fotos der Band mit Tchakos und Totschlägern. Die solcherart überhöhte Verbrecher-Ästhetik transzendiert das Duo direkt in größtmögliche Coolness, um dann, getreu eines Songtitels als „Orson Welles' Krieger“in der obersten Liga abgeklärter Kultur mitzureden.

Musikalisch erreichen sie dieses Ziel durch eine nie gehörte Ballung warmen, industriellen Stumpfsinns auf der Grundlage kaputter, stoisch durchlaufender Beats. Darüber schichten sich verzerrte Gitarrenfiguren und ergeben mit Gameboy-Piepsen und allerlei anderen Arbeitsspuren ein ebenso wuchtiges wie abgefucktes Ganzes, auf welchem Warfield die feinen Variationen seines zwischen freundlicher und genervter Langeweile changierenden Sprechgesangs ausprobiert. Das Rezept, dessen Credits an Beck und den Wu-Tang-Clan gehen, funktioniert: Dies ist, neben Kraftwerk und Funk, der langgesuchte dritte Weg, rhythmisch und cool zu sein.

Holger in't Veld

Fr, 21. März, 21 Uhr, Marquee