Krankenkassen werden teurer

■ Kurzfristig erhöhen die Ersatzkassen die Beitragssätze /Argument: Man erspart den Versicherten spätere Zuzahlungen

Die Handelskrankenkasse in Bremen erhöht ab dem 1. Mai den Beitragssatz für ihre 160.000 Mitglieder um 0,4 Prozentpunkte auf 13,2 Prozent. Das hat der Verwaltungsrat in einer Sondersitzung kurzfristig entschieden. Auch die Versicherten anderer Ersatzkassen wie Technikerkasse, DAK und Barmer müssen tiefer in die Tasche greifen. Die Beiträge steigen um bis zu 0,8 Prozentpunkte (TK von 12,8 auf 13,6).

Hintergrund der spontanen Aktion der Kassen: Wenn die Beitragserhöhung vor einem noch festzulegenden Stichtag Ende März beim Bundesversicherungsamt beantragt wird, ersparen die Kassen ihren Mitgliedern höhere Zuzahlungen für Medikamente und Gesundheitsvor- und -nachsorge. Nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) sollen die Patienten je Prozentpunkt Beitragserhöhung eine Mark (bei Arzneimitteln) bzw. ein Prozent (etwa bei Krankengymnastik) als höhere Eigenbeteiligung zuzahlen.

„Hätten wir später gehandelt, hätten unsere Mitglieder auch noch die Zuzahlungen tragen müssen“, sagte HKK-Chef Hans-Herbert Brandes und liegt damit auf einer Linie mit Barmer-Chef Eckhard Fiedler. Eine Erhöhung sei unausweichlich, weil die Bonner Koalition bei den laufenden Gesetzesvorhaben zur Kostendeckung im Gesundheitswesen auf Druck der FDP eingeknickt sei. Frühe „Wahlgeschenke“an die Pharmaindustrie, Ärzte und andere Leistungserbringer, vermutet Brandes.

So sei das Budget für die Ärzte aufgehoben worden. „Damit ist der Deckel oben weg“. Auch wenn die einzelnen Leistungen der Ärzte mit einem Punktsystem niedriger bewertet würden, hätten die Mediziner diese Einbußen durch mehr Masse aufgefangen. Nun sollen jeder Praxis eine Menge an Punkten zugeordnet werden. Falls es wegen des Andrangs von Patienten zu höheren Kosten kommt, müßten die Kassen zumindest einen Teil auffangen. Das könnte die HKK nach eigenen Berechnungen 5,2 Millionen Mark zusätzlich kosten.

Auch dürften Ärzte jetzt entgegen den ursprünglichen Plänen mit einem sehr viel großzügigeren Limit Medikamente verschreiben. Macht 8,2 Millionen zu Lasten der HKK. Außerdem wollten die Gesetzgeber nachträglich die Krankenhaus-Budgets für 1996 erhöhen. Folge: Die HKK muß eine Million an die Kliniken nachzahlen. Auch würden nicht wie geplant die Kosten für Bandagen, Einlagen und Hilfsmittel reduziert. Brandes: „In Bonn herrscht Wirrwarr. Vor zehn Tagen hätte ich noch gesagt, es gibt keine Erhöhnug.“

Die HKK hatte laut Brandes ihren 1997er Haushalt mit einem Minus von 14 Millionen Mark geplant. „Das schien uns wegen der versprochenen Kostenentlastungen hinnehmbar“. Für Leistungen für Patienten hat die HKK 504 Millionen eingeplant, 26 Millionen sind Verwaltunsgkosten und 123 Millionen zahlt die HKK in den Risikostrukturausgleich, mit dem Kassen mit kostenträchtiger Mitgliederstruktur unterstützt werden.

Die Beiträge der AOK Bremen (190.000 Mitglieder plus 70.000 mitversicherte Angehörige) bleiben nach Aussage eines Sprechers 1997 konstant bei 13,5 Prozent. Man sei ja auch Nutznießer des Risikostrukturausgleichs. Insider vermuten jedoch, daß auch die AOK ihre Beiträge erhöhen müßte, einen solchen Schritt aber nicht gegen die Arbeitgebervertreter in ihrem Verwaltungsrat durchbekomme, die steigende Lohnnebenkosten verhindern wollten. Wenn dann die Liquidität gefährdet sei und doch erhöht würde, fielen die Mitglieder in die „Zuzahlungsfalle“, die die Ersatzkassen umgangen hätten. jof