„Wie dit war“

■ In Berlin stieß die filmische Walter- Ulbricht-Hommage auf großes Interesse

Für einen Zuschauer ist er der Repräsentant der stalinistischen Ära schlechthin. Für seine Nachbarin ist er nur eine komische Figur. Dr. Manfred Steinkühler, ehemaliger Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes der BRD, will wissen, was damals in der jungen Republik und mit ihm, Walter Ulbricht, geschehen ist.

Dorothea Holloway, die Heftchen wie German Film – International Reports herausgibt, will lernen, Walter zu verstehen. Und im übrigen will sie mal sagen: „Auf den Kapitalismus, den wir heute haben, kann ich scheißen.“

Klassentreffen mit einem Toten. Walter Ulbricht, der Stalin der verflossenen DDR, gestorben 1973, ist nun wieder auferstanden als Kultfigur in „Baumeister des Sozialismus“, einem Hymnenfilm, gedreht 1953, anläßlich seines 60. Geburtstages. Gezeigt wurde er nie, erst jetzt, 44 Jahre später. Filmhistoriker vermuten: Der Lobesfilm kam in den Tresor, weil er die gereizte Stimmung im Juni 1953 nur angeheizt hätte. Als der Film verschwand, hat Lotte Ulbricht das sehr bedauert.

Beim Klassentreffen, der Uraufführung des Films Anfang dieser Woche im Berliner Zeughaus, fanden sich selbstverständlich auch alte Genossen ein: „Junge, wir wollten damals was Besseres.“ Klar, Jugend war auch da. Nicht nur, weil Plansoll-Walter einer war, der die Jugend besonders liebte („und die Jugend liebte Walter“). Nein. Weil „ick wissen will, wie dit war, damals“.

Theo Grandy und Ella Ensink, die Macher von „Baumeister des Sozialismus“, lassen erst mal den Dichter und Kulturminister Johannes R. Becher lobsingen. „Der deutsche Arbeitersohn ist das Vorbild für die Jugend in ganz Deutschland. Er lernte lesen. Kaum daß er lesen konnte, las er seinen Eltern aus dem Leipziger Arbeiterblatt vor.“ Die Pioniere um ihn herum lauschen dieser Success-Story, nicken und glauben.

Milchige Bilder aus Stalinstadt (Eisenhüttenstadt), Märsche durch Halle und Berlin und selbstverständlich prächtige Parteitage werden aufgefahren. Ulbricht ist stets begeistert und versteht es seinerseits, die Werktätigen zu begeistern. Er inspiziert die Landwirtschaft, weist unbeliebte Bürgermeister zurecht und spielt Tischtennis mit seiner Frau. Bilder aus Westdeutschland hingegen offenbaren nichts als grauen Verfall. Dazu ein Text, brühwarm und pathosschwer, geschrieben von Stephan Hermlin. Da heißt es dann beispielsweise: „Mehr produzieren, um besser zu leben. Unter diesem Wort stand der Plan. Er bedeutete ein neues und schwieriges Wegstück auf dem einzigen richtigen Weg.“ Jens Rübsam