Hurra: Sexismus-Pokal jetzt bei Max Goldt! Von Wiglaf Droste

„WORÜBER LACHT IHR EIGENTLICH?

Die Visitenkarte einer Frau

Nachts, am Rudolf-Schwedeler- Damm. Aus einem Alt-Girl-Container der Stadtreinigung dringen Schreie. Rette mich! ruft ein gar nicht übles Piepsstimmchen, ich bin hier reingefallen, als ich meine Schwester suchte. Die hat Vater gestern totgeschlagen, die hat aber noch den tollen Glänze-Ring an ihrem Finger. Den wollt ich haben.

Die Stimme reizt mich. Dem Mädel soll geholfen werden, denke ich mir, lange in den Container, greife ein zuckendes Körperteil und ziehe es heraus: ein Fuß, aber was für einer! Voller Hornhaut und Schrammen, von den eingewachsenen Nägeln ganz zu schweigen. Nein danke. Die Füße sind schließlich die Visitenkarte einer gepflegten Frau. (aus: Die Radiotrinkerin von Max Goldt)

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„Dies ist ein Text von dem Autor, den sie heute abend besuchen wollen. Es dürfte unbestritten sein, daß dieser Text von der völligen Abwertung der Frau in unserer Gesellschaft handelt. Wir wachsen mit den oben im Text dargestellten Rollen von Männern und Frauen/Mädchen auf, diese Rollenklischees haben wir verinnerlicht. Nichts in dem Text regt zu kritischer Auseinandersetzung an, statt dessen werden die Klischees zementiert. Dem Text fehlt die kritische Distanz des Autors, d. h., Max Goldt bezieht keinen eindeutigen Standpunkt, es wird nicht klar, ob er als Feminist, Linker oder sexistisches Arschloch schreibt. Er schreibt aus der Sicht eines Mannes und verharmlost somit die ganze Situation, da die Identifikationsperson nicht die Betroffene ist. Wenn der Text aus der Sicht der Betroffenen geschrieben wäre, wäre er keine Satire, sondern ein Horrorszenario und würde bei der/ dem LeserIn Betroffenheit und Widerstand hervorrufen. Die Satire ist eine Waffe der Unterdrückten gegen die Herrschenden. Mit einem linkspolitischen Anspruch ist es nicht zu vereinbaren, Satire zu mißbrauchen, um Gewalt gegen diskriminierte Menschen zu verharmlosen. Wir sprechen Max Goldt ab, diesen, wie auch viele andere Texte von ihm, Satire zu nennen.

Worüber lacht ihr eigentlich?

ViSdP: Autonome Marburger und Gießener FrauenLesben“

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Dieser Text wurde vor kurzem anläßlich einer Lesung von Max Goldt in Marburg als Flugblatt verteilt. Beschämt gestehe ich: Im ersten Moment war ich einfach nur erleichtert. Endlich war der autonome Sexismus-Wanderpokal auf jemand anderen übergegangen.

Zwei Jahre lang hatte man ihn mir ungebeten hinterhergetragen, jetzt war ich ihn los. Max Goldt hatte ihn genommen – so wie einst Simon Petrus das Kreuz von Jesu Schultern nahm, um es ein Stück zu tragen. Danke, Bruder Max, hauchte ich, und glückstränenüberströmt küßte ich ihn in Gedanken für seine Großmut.

Wie enttäuscht aber war ich, als die Wahrheit ans Licht kam: Benjamin von Stuckrad-Barre, bei der Plattenfirma Motor Music sowohl für Max Goldt wie für mich zuständig, hat die Publicity gekauft! „Die Verkaufszahlen waren ein bißchen mau“, gestand mir Stuckrad kleinlaut, „da habe ich ein paar Leute angeheuert. Und Autonome sind am billigsten. Marburger FrauenLesben kriegt man schon ab drei Groschen.“

Sagen Sie selbst: Ist diese Welt nicht schäbig?