Perspektiven der Hanfwirtschaft – das Duell: Fasern oder Träume?

Hanf ist die einzige in Deutschland zum Anbau zugelassene Pflanze, aus der sich illegale Drogen herstellen lassen. Auch wenn diese Aussage durch die Unterscheidung zwischen THC-reichen und THC-armen Sorten objektiv nicht hundertprozentig richtig ist, leiten sich aus dem Tatbestand, daß Hanf zu Haschisch weiterverarbeitet werden kann, doch bestimmte subjektive Produkteigenschaften ab. Für die Einschätzung und Etablierung der Pflanze im legalen Markt für Fasern, Öl oder Zellstoff hat dies ganz besondere Vorteile und ganz besondere Nachteile.

Marketing-Experten bekommen leuchtende Augen, wenn es um die Vorteile geht. Shampoo, Jacken und Papier aus Hanf belegen, daß diese Produkte weit mehr sind als Werkzeuge zum Haarewaschen, Wärmen und Schreiben. Sie tragen das Stigma des Oppositionellen, Träumerischen und leicht Verruchten – Attribute, bei denen die preiswerteren und von den Qualitäten her nicht schlechteren Konkurrenzprodukte wie Shampoo aus Palmöl, Jacken aus Bamwolle und Papier aus Holz nicht mitkommen.

Der Einwand, es gehe dabei nicht um Hanf als Drogenpflanze, sondern um Hanf als ökologisch wertvolle, weil anspruchslose Kultur, hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Denn auch Faserlein kann aus ökologischer Sicht mit ähnlich positiven Parametern glänzen und benötigt für einen hohen Ertrag noch deutlich weniger Düngemittel als Hanf. Dennoch hat man bei Produkten aus Lein bislang vergeblich auf den großen Marktdurchbruch gewartet.

Ich möchte die These aufstellen, daß gerade bei der Legalisierung des Hanfanbaus die an der Spitze der Bewegung stehenden Menschen das primäre Ziel hatten, der Legalisierung des Haschischkonsums ein kleines Stück näher zu rücken. Diese These wird durch zahlreiche persönliche Gespräche und die Verquickung beider Themen, etwa im Informationsangebot des Hanf-Museums oder der Zeitschrift Hanf!, bestätigt. Dabei geht es hier nicht um die Frage, ob die Legalisierung des Haschischkonsums gut oder schlecht ist, sondern darum, ob die Verquickung eines drogenpolitischen Themas mit einem wirtschaftspolitischen Thema gut oder schlecht war.

Fest steht, daß nur durch diese Verquickung eine Vehemenz und Durchsetzungskraft in die Legalisierungsbewegung des Hanfanbaus kam, die selbst die konservative Regierungskoalition binnen weniger Jahre zu einem Sinneswandel veranlaßte. Ein Nebeneffekt dieser Bewegung war allerdings, daß das Potential von Hanf oft maßlos überschätzt wurde. Die mecklenburgischen Bündnisgrünen beispielsweise traten 1995 mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit, nach der der Anbau von Hanf 10.000 neue Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern schaffen könne – heute, nach der Legalisierung, sind es wahrscheinlich nicht einmal zehn.

Wenn wir in Zukunft über die Potentiale der Faser- und Ölpflanze Hanf sprechen, sind wir wohl durch Wissenschaftler ohne emotionale Bindung an drogenpolitische Fragen am besten beraten. Herausheben möchte ich dabei eine Studie, die vom Institut für Agrarökonomie der Universität Kiel in Zusammenarbeit mit drei agrar- bzw. volkswirtschaftlichen Universitätsfakultäten, dem Zentrum für kontinentale Agrar- und Wirtschaftsforschung in Gießen und dem Institut für Angewandte Forschung in Reutlingen, entstanden ist. Diese beim Landwirtschaftsverlag erschienene Studie „Hanf“ kommt zusammengefaßt zu dem Ergebnis, daß die Hanffaser international und insbesondere in Deutschland auch zukünftig nicht mehr als Nischen besetzen wird.

Es ist für alle Beteiligten ein Gebot der Fairneß, in der weiteren Diskussion über die Pflanze immer zu sagen, was man von ihr letztendlich will – Öl, Fasern oder Träume. Stefan Mann

Der Autor ist Mitarbeiter der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. Die FNR ist Projektträgerin des Bundesministeriums für Landwirtschaft.