Koalition der Ahnungslosen

■ Bremer Ausschuß untersucht, ob Vulkan zu viele Subventionen bekommen hat

Der Konzern wuchs offensichtlich schneller als die Fähigkeit seiner Leitung, ihn zu organisieren und im Tagesgeschäft zu führen“, faßt Hermann Kuhn, Vorsitzender des Bremer Vulkan-Untersuchungsausschusses und Grünen-Politiker, die bisherigen Ergebnisse der Zeugenbefragungen zusammen. Die Bremer Landespolitik, so Kuhn, sei bis zum Ende „immer erpreßbar“ gewesen. Genausowenig wie die Politiker, die immer wieder direkte und indirekte Beihilfen genehmigten, wurde die Konzernstrategie des Vorstandsvorsitzenden Friedrich Hennemann, eines ehemaligen SPD-Senatsdirektors, aber auch von Aufsichtsräten oder von der Treuhand kontrolliert: „Viele Ritter von der traurigen Gestalt“ haben sich dem Ausschuß präsentiert, sagt Kuhn und meint damit in erster Linie die frühere Treuhand-Präsidentin Birgit Breuel. Vor dem Ausschuß hatte sie sich ahnungslos gegeben. Und der Vertreter der Commerzbank im Vulkan-Aufsichtsrat hatte dies als „Ehrenamt“ verstanden, das keine weitergehende Verpflichtung zu eingehender Kontrolle bedeute. Immerhin lag bei der Commerzbank das Cash-Management, niemand kannte die Liquiditätsplanung des Werftenkonzerns so genau wie die Commerzbank.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuß soll den Gründen für den Zusammenbruch des Bremer Vulkan Verbunds nachspüren. In den zwei Jahren vor seinem Ende 1996 waren rund 850 Millionen Mark der Treuhand und 1995 eine gute halbe Milliarde Mark Bremer Steuergelder versickert. Aufsichtsräte, Bremer Senatoren und Verwaltungs-Fachleute haben sich dem Ausschuß als „Koalition der Überraschten“ in den vergangenen Monaten präsentiert, stellt die CDU-Vertreterin Elisabeth Motschmann fest. Dabei sind die Parlamentarier noch nicht bis zu den entscheidenden Monaten im Sommer 1995 vorgedrungen.

Immerhin haben sich Insider- Gerüchte für die Vorgeschichte präzisiert. Etwa, daß Schiffbau in Deutschland ein Defizit-Geschäft und abhängig von den lukrativen Marine-Aufträgen ist. Die Bremer Versuche, in einem Konzern auch andere, schiffbaunahe Bereiche aufzubauen, sind gescheitert. In den achtziger Jahren, als der Vulkan Verbund gegründet wurde, hatte Vorstandschef Hennemann zunächst einige notleidende Bremer Maschinenbau-Unternehmen übernommen, ohne deren Liquidation vermeiden zu können.

Die großen Einkäufe wie Wohlenberg, Dörries-Scharmann und Schiess hat Hennemann ebenfalls nie in den Griff bekommen – alle erwiesen sich als Verlustbringer. Die „Vulkan Industrie-Holding“, als Dach dieser Diversifikation, war dabei zu 20 Prozent in bremischem Staatsbesitz. Das Land spendierte 100 Millionen Mark, war aber nicht in der Lage, steuernd Einfluß zu nehmen, und gab schließlich seinen wertlosen Gesellschafteranteil für 1 Mark an Hennemann zurück.

Das zweite große Unglück in der Vulkan-Geschichte aus Bremer Sicht war die Deutsche Einigung. In der Akquisition von Subventionen war Firmenchef Hennemann erfahren, der Treuhand preßte er über zwei Milliarden Mark für die Übernahme der Ostwerften ab. Daß damit der Ursprung des Konzerns, die Unterweser-Werften, uninteressant geworden waren für die Konzernstrategie, hat man in Bremen früh erkannt – ohne etwas zu tun. Nur aus politischer Rücksichtnahme hat Hennemann die Bremerhavener Seebeck-Werft nicht schon 1993 geschlossen. Den Landespolitikern sagte er klar, daß Investitionen in die Bremer Unterweser- Werften nur mit großzügigen Hilfen aus der Staatskasse stattfinden würden. Der Konzern, dessen Umsatz dem Staatshaushalt Bremens entspricht, war der Reichweite des Städtestaates da längst entwachsen. Klaus Wolschner