„Nur persönliche Verantwortung aufgezeigt“

■ Nach dem IM-Urteil: Peter Busse, Direktor der Gauck-Behörde, sieht nur geringe Folgen

taz: Herr Busse, das Landgericht Berlin hat in dieser Woche Ihrer Behörde und einem Verlag untersagt, den Klarnamen eines Inoffiziellen Mitarbeiters zu veröffentlichen, weil dessen MfS-Tätigkeit unbedeutend gewesen sein soll. Welche Konsequenzen hat das Urteil für Ihre Behörde?

Peter Busse: Zunächst, wir kennen die Urteilsgründe noch nicht. Zum einen wird es darauf ankommen, diese Gründe genau unter die Lupe zu nehmen. Zum anderen: Es handelt sich um das Urteil eines Landgerichts, das noch nicht rechtskräftig ist. Wir legen, wie der Verlag auch, Berufung ein. Wir werden dann sehen müssen, wie das Berufungsgericht entscheidet. Bei dem Urteil des Landgerichts handelt es sich um einen Einzelfall, es ist keine Grundsatzentscheidung. Der Fall betrifft die Forschung über die Struktur und die Wirkungsweise des MfS, und dafür hat uns der Gesetzgeber eine klare Aufgabe zugewiesen. Gleichzeitig ist uns eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des einzelnen und dem öffentlichen Interesse an der Tätigkeit des MfS auferlegt. Es gibt stringente Regelungen, wie wir mit dem Persönlichkeitsrecht umzugehen haben, wobei das Gesetz zunächst einen Vorrang des öffentlichen Interesses vor dem Geheimhaltungsinteresse ehemaliger Mitarbeiter vorsieht.

Sollte das Urteil bestätigt werden – welche Bedeutung hätte das für die Opfer der Stasi?

Bei den Opfern sind wir schon vom Gesetz her verpflichtet, die Namen der früheren Inoffiziellen Mitarbeiter mitzuteilen. Hierauf hätte das Urteil keinerlei Einfluß. Bei der Benennung von Tätern würde eine obergerichtliche Entscheidung im Sinne des Landgerichtes sicherlich eine Einschränkung nach sich ziehen.

Bisher hat Ihre Behörde bewußt nur den Inhalt der Stasi-Akten wiedergegeben. Jetzt sollen Sie und Ihre Mitarbeiter werten, ob eine Mitarbeit bedeutend war oder nicht. Wer enscheidet über die Kriterien für eine solche Aussage?

Das ist das Problem. Grundsätzlich geben wir nur den Akteninhalt wieder. Selbst wenn ein Gericht versuchen wollte, uns eine Wertung aufzuerlegen. Wir können das nicht tun, schon allein, weil wir nicht wissen, wie das MfS im einzelnen mit den Informationen umgegangen ist.

Wenn das Urteil rechtskräftig würde, müssen Sie dann mit einer Klagewelle ehemaliger IM rechnen?

In den Fällen, in denen wir Auskunft erteilen, sicher nicht. Der strittige Fall spielt ja wie gesagt im Bereich der wissenschaftlichen Darstellung der Tätigkeit des MfS. Hier haben wir in unseren bisherigen Arbeiten einzelne Täter benannt, um ganz bewußt dort die persönliche Verantwortung aufzuzeigen. Abstrakt läßt sich das nicht machen. Möglicherweise wird hier der eine oder andere Genannte Klage erheben, wenn das Urteil bestätigt werden sollte.

Ist die von Ihnen genannte Forschung überhaupt noch möglich, wenn die Veröffentlichung einzelner Namen untersagt wird?

Die Darstellung der Arbeit des MfS wäre hinsichtlich der Inoffiziellen Mitarbeiter, deren Zuarbeit gravierend war, davon nicht entscheidend betroffen. Die Konsequenzen des Urteils, wenn es denn Bestand haben sollte, wäre für unsere wissenschaftliche Arbeit eher gering. Aber ich gehe nicht davon aus, daß der Spruch des Landgerichts bestätigt wird. Interview: Wolfgang Gast