Schlechte Karten für die Spielbranche

■ Die Zahl der Spielhallen geht durch strengere Verordnungen rapide zurück. Dennoch rechnet die Finanzverwaltung dieses Jahr mit Steuereinnahmen von 18 Millionen Mark

Joachim Wittig erinnert sich noch gut an den Hilferuf einer Frau, deren Mann jeden Monat seine 3.000 Mark Lohn statt nach Hause in die Spielhalle trug. In ihrer Verzweiflung rief sie den Leiter des Kreuzberger Wirtschaftsamtes an. Doch der konnte der armen Frau nicht helfen. „Wir können Ihrem Mann kein Betretungsverbot erteilen“, teilte ihr Wittig mit. Hätte die Frau den Ort des gefährlichen Lasters gewußt, dann hätte Wittig tätig werden können. „Wenn jemand erkennbar sein letztes Geld verspielt“, erklärt Wittig, könne das Amt den Betreiber der Spielhalle anweisen, dem Spieler Hausverbot zu erteilen.

Doch die Wahrscheinlichkeit, daß Wittig als Retter für Miete und Brot einspringen muß, sinkt Jahr für Jahr. Denn die Spielhallenbranche hat schlechte Karten in der Stadt. Die Anzahl der Spielhallen ist in den letzten Jahren beträchtlich gesunken. Zählte das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums 1992 noch 1.070 Spielhallen in Berlin, waren es im letzten Jahr nur noch 361 Etablissements. Auch die Anzahl der Geldspielgeräte ist zurückgegangen: Vor fünf Jahren hingen noch 3.313 Geldspielgeräte in Spielhöllen und verräucherten Kneipen, vergangenes Jahr waren es nur noch 2.360. Schuld sind strengere Auflagen des Gesetzgebers: Seit Mitte vergangenen Jahres dürfen nach einer Änderung der Spielhallenverordnung Geräte nur noch so installiert werden, daß ein Spieler maximal zwei solcher Automaten gleichzeitig bespielen kann. Die Regelung, die ein Geldspielgerät auf 15 Quadratmeter, maximal zehn pro Spielhalle und maximal zwei pro Gaststätte vorschreibt, hat nach Angaben des Bundesverbandes Automatenunternehmer e.V. zu einem bundesweiten Abbau von 20.000 Geldspielgeräten geführt.

Berlin liegt mit zehn Spielhallen, die derzeit auf 100.000 Einwohner kommen, weit hinter Städten wie Hamburg oder Bremen, wo auf 100.000 mehr oder weniger potentielle Spielernaturen 23 beziehungsweise 22 Spielhallen entfallen. Große Unterschiede gibt es in Berlin selbst: Weil es im sozialistischen Ostberlin die Automaten nicht gab, ist dort im Vergleich zum Westteil ein Anstieg zu verzeichnen. 1996 gab es im Ostteil 36 Spielhallen – ein Zehntel der Gesamtzahl.

In Westberlin zeigt sich der Rückgang besonders deutlich in Kreuzberg, wo sich 1990 mit 70 Spielhallenstandorten noch etwa ein Fünftel aller Berliner Spielhallen befand. War die Zahl 1994 bereits auf 54 zurückgegangen, gibt es derzeit nur noch 48. Entsprechend ist auch die Anzahl der Geldspielgeräte von 668 im Jahre 1990 auf 354 im Jahre 1994 zurückgegangen.

Für den Einbruch der Spielbranche führt Joachim Wittig vom Wirtschaftsamt mehrere Gründe an: Die schnelle Mark sei in der Branche nicht mehr so einfach zu machen, weil viele Leute mit ihrem sauer verdienten Geld nicht mehr so leichtfertig Automaten fütterten. Außerdem werde Jahr für Jahr einige Läden wegen unerlaubten Glücksspiel oder der Beschäftigung von Asylbewerbern die Konzession entzogen. Anzeigen kämen nicht selten von der Konkurrenz. Auch wenn die Zahl der Spielhallen zurückgeht, können die leeren Landeskassen auch dieses Jahr mit satten Einnahmen rechnen. Denn immerhin müssen für einen in einer Spielhalle installierten Spielautomaten, an dem man Geld gewinnen kann, 300 Mark Vergnügungssteuer pro Jahr gezahlt werden, die ohne Gewinn schlagen mit der Hälfte zu Buche. Wenn ein Betreiber seinen Spielern sogenannte Killerautomaten offeriert, auf denen Blutvergießen und Krieg gespielt werden kann, verdient der Staat 1.000 Mark im Jahr.

Für dieses Jahr hat die Senatsverwaltung für Finanzen im Haushaltsplan 18 Millionen Mark Steuereinnahmen aus Spielhallen veranschlagt. Doch der ganz große Brocken kommt nicht von den Menschen in den Spielhallen, sondern von den Schickis am Roulettetisch der feinen Casinos: Die Spielbank im Europa-Center und die am Alex müssen 80 Prozent ihres Umsatzes abgeben. Die Finanzverwaltung rechnet dieses Jahr mit 117 Millionen Mark. Barbara Bollwahn