Das Portrait
: Geheimdiensten auf die Finger gucken

■ Jürgen Seifert

Jürgen Seiferts Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Fast eineinhalb Jahre mußte der 68jährige Staatsrechtler und frühere Bundesvorsitzende der Humanistischen Union auf einen Sitz in der G-10-Kommission des Bundestages warten. Jenem Gremium also, das für die politisch motivierte Fernmeldeüberwachungen ebenso zuständig ist wie für Abhöraktionen des Bundesnachrichtendienstes (BND). Seit Donnerstag ist Seifert ordentliches Mitglied der G-10-Kommission. Mit ihm freuen sich auch die Bündnisgrünen: Der parteiunabhängige Jurist ist ihr erster Vertreter in der bislang von den Altparteien dominierten Kommission. Die Zeiten, in denen Kandidaten der Bündnisgrünen als Sicherheitsrisiko galten, sind mit Seiferts Einzug wohl vorbei. Schließlich fiel das Votum des neunköpfigen G-10-Wahlgremiums eindeutig aus: Nur zwei Mitglieder der Unionsfraktion stimmten gegen ihn.

Seifert, ein engagierter Kämpfer für Bürgerrechte, hat aus seiner kritischen Gesinnung nie einen Hehl gemacht – wie zuletzt bei den Polizeiaktion zum Schutz des Castor-Transports. Der emeretierte Staatsrechtler und Politologe an der Universität Hannover kann auf eine klassische linke Vita zurückblicken: Ende der 50er Jahre Vorstandsmitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, stand er damals im engen Kontakt zur Konkret- Journalistin und späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, mit der er sich aber schon bald politisch überwarf. Ein solcher Lebenslauf mußte zwangsläufig die Geheimdienste interessieren. So versuchte der Verfassungsschutz 1963 vergeblich, Seiferts wissenschaftliche Assistenzstelle an der Universität Darmstadt zu verhindern.

Lange Zeit war es wackelig, ob Seifert die Aufnahmebedingungen für die G-10-Kommission bestehen würde. Nach dem Sicherheitscheck durch den Bundestag landete sein Fall bei der Bundesregierung. Erst die Fürsprache des liberalen Bundesjustizministers Schmidt-Jortzig (“Keine Bedenken“) dürfte letztlich den Ausschlag dafür gegeben haben, daß auch Mitglieder der Koalitionsfraktionen im G-10-Wahlgremium für ihn stimmten. Mit seinem künftigen Engagement setzt Seifert auch einen Kontrapunkt zu seiner Familiengeschichte: Sein Vater war als Ministerialrat im Nationalsozialismus für die Auswertung der Telefonüberwachung zuständig. Severin Weiland