Nachdenken über die Intervention

■ Italiens Gerede vom „Notstand“ schürt militärischen Eifer Richtung Albanien – trotz fehlender Flüchtlingskrise

Rom (taz) – „Kategorisch“ hatte Italiens Verteidigungsminister Beniamino Andreatta vor dem Parlament am Donnerstag „all die nur zur Konfusion beitragenden Gerüchte der Presse“ dementiert, wonach Italien eine militärische Intervention in Albanien vorbereite. Doch schon wenige Stunden später sprach sein eigenes Ministerium bereits von einer „Seeblockade unmittelbar vor der Küste Albaniens, die man spätestens am Montag einrichten wird“ – mit oder ohne Zustimmung und Beitrag anderer Länder. Völkerrechtlich wäre das zweifellos bereits ein Akt militärischer Intervention. Zudem sind inzwischen auch Bewegungen des Heeres zu erkennen, und in verschiedenen Häfen stehen Landeschiffe unter Dampf.

Beamte des italienischen Außenministeriums finden die Langsamkeit der europäischen Partnerstaaten „ziemlich unverständlich“. Erst kommende Woche soll über humanitäre Hilfen für Albanien entschieden werden, und auch da ist noch unklar, ob diese einfach so hingeschickt oder auch von den EU-Staaten selbst verteilt werden sollen, wofür man möglicherweise militärischen Schutz für erforderlich halten könnte.

Daß die Situation in Albanien mittlerweile in Italien beträchtliche Probleme schafft, hängt allerdings vor allem damit zusammen, daß Italiens Behörden seit dem Antuckern der ersten „Boat people“ mit großen Worten vom „Massenexodus“ sprechen und die Regierung gar den nationalen Notstand ausgerufen hat. Wie ein Rotkreuzleiter im apulischen Brindisi vermerkt, hat das erst so richtig Panik unter der Bevölkerung im Südosten Italiens ausgelöst – so als gelte es, Millionen auf Dauer ins Land drängender Hungerleider unterzubringen. Nun wehren sich Campingplatzbesitzer und sogar die Eigentümer leerer Fabrikhallen, ihre Strukturen auch nur für ein paar Tage zur Verfügung zu stellen, aus Angst, aus den paar hundert jeweils unterzubringenden Flüchtlingen würden sofort Tausende von Dauergästen. Fernsehbilder von aufgebrachten Geschäftsleuten und Ladenbesitzern, aber auch Stellungnahmen von Kirchenmännern in den Anlandezonen verstärken den Eindruck, daß sich die Menschen in Apulien fast am Rande einer Katastrophe fühlen.

Und dies auch noch, obwohl seit Mitte der Woche kaum mehr Flüchtlingsschiffe anlanden, die Zahl der bisher eingetroffenen Albaner nur an die 10.000 beträgt und 600 davon auch bereits wieder zurückgeschickt wurden, zum Beispiel entlaufene Gefangene sowie Schlepperbosse, die die Flüchtlinge in Zusammenarbeit mit den italienischen Mafiabanden ins Land brachten. Werner Raith