■ Schöner Leben
: Schwarzgefahren

Die Schwarzfahrer sind mitten unter uns. Sie kommen aus allen Schichten der Bevölkerung. Keineswegs ist es nur die blanke Geldnot, die sie angesichts der Einsfuffzig für die Kurzstrecke zurückzucken läßt. Vielmehr treibt den Schwarzfahrer die Abenteuerlust: Straßenbahn fahren ohne Ticket als letztes Refugium des Abenteuers. Auch Sportgeist ist dabei: Wird es wieder gelingen, die Controllettis zu übertölpeln? Und ein gewisses Gerechtigkeitsempfinden schwingt mit: Hat man nicht als Bürger dieser Stadt ein Anrecht darauf, gratis von A nach B zu gelangen? Schließlich ist ja Autofahren auch quasi umsonst. Soweit zur Gemütslage des notorischen Schwarzfahrers.

Unscheinbar bewegt er sich durch die öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt, schaut beiläufig aus dem Fenster und schwimmt unauffällig in der Masse der zahlenden Fahrgäste mit. Doch gegenseitig erkennt sich die Spezies an kleinen Gesten, schnellen Blicken in die Tiefen der Waggons und dem prüfenden Blick auf die Haltestellen. Folgende Geschichte als Beweis: Schwarzfahrer sitzt nach getaner Arbeit schlapp in der Bahn an der Domsheide. Einen Moment lang läßt die Konzentration nach. Dann das solidarische Wort des Gesinnungsgenossen: „Die kontrollieren gerade“, warnt der kleine blondhaarige Freak mit dem Opi-Rucksack. Und tatsächlich: Am Ende des Wagens haben sich die roten Anoraks der GegnerInnen hineingeschoben. Zeit genug, um gemütlich aufzustehen, zum Fahrer zu schlendern, Einsfuffzig für die Kurzstrecke rauszutun, den Entwerter klingeln zu lassen und den Fahrschein souverän der Sportsfreundin Kontrolleurin zu präsentieren. Nach einem verschworenen Blick unter Schwarzfahrern geht jeder seiner Wege. Joachim Fahrun