Wagenburg wird abgeräumt

■ Innensenator Schönbohm will am Mittwoch Wagenburg in Mitte räumen lassen. Auch das benachbarte, vom Bezirk Kreuzberg geduldete X-Dorf fühlt sich bedroht

Es wird wieder geräumt: Bis Ostern sollen die etwa 30 BewohnerInnen der Wagenburg am Bethaniendamm in Mitte verschwinden. Das hat offenbar die Innenverwaltung entschieden. Das Bezirksamt Mitte habe den Auftrag, den BewohnerInnen am Montag mitzuteilen, daß ihr Stellplatz im Laufe der kommenden Woche geräumt werde, sagte die Stadträtin Eva Mendl (PDS). Einen alternativen Platz gäbe es nicht. Die Innenverwaltung übt sich in Geheimhaltung. „Wir können das nicht bestätigen“, erklärte die Pressestelle von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU).

Auf dem Grünstreifen an der Grenze zwischen Kreuzberg und Mitte stehen seit mehreren Monaten 23 Busse und LKWs, die vor allem aus der Wagenburg an der East Side Gallery kommen. Das umstrittende Rollheimer-Dorf am Hauptbahnhof war – in einer ebenso umstrittenen Aktion – im vergangenen Sommer geräumt worden. Die jetzt anstehende Räumung in Mitte ist ein weiterer Schritt innerhalb einer nicht enden wollenden Odyssee: Der geplante Ersatzort für die East Side Gallery in Staaken (Spandau) kam nie zustande, weil die dortigen Anwohner massiv dagegen vorgingen. Seitdem ist die Gemeinde – eine der sozial schwächsten in der Rollheimer-Szene – versprengt. Einige kamen in anderen Wagenburgen unter, andere sind unbekannt verzogen – und etwa 30 Leute besetzten den Bethaniendamm in unmittelbarer Nähe zu zwei weiteren Rollheimer-Dörfern, die seit Jahren geduldet werden und eine relativ gefestigte Sozialstruktur aufweisen: Der Schwarze Kanal an der Schillingbrücke sowie das X-Dorf (Kreuzdorf) auf dem Mariannenplatz. Auch rund um den Bethaniendamm gibt es seitdem Proteste von Anwohnern, die sich über Müll, Lärm und Dreck beschweren. Und darüber, sich in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht mehr nachts auf die Straße zu trauen.

Als „unhaltbar“ bezeichnet auch Stadträtin Eva Mendl den Zustand. Dennoch steht sie nicht dahinter, Wagenburgen alternativlos abzuräumen. „Wir sind an den Entscheid der Innenverwaltung gebunden“, so Mendl. „Eine Lösung für die dort Lebenden ist das sicher nicht.“

Um diese herbeizuführen, müsse man sich aber mit unterschiedlichen Lebensformen einmal wirklich auseinandersetzen: „Aber dazu ist der politische Wille nicht da.“ Anders als an anderen Plätzen stehen die Wagen am Bethaniendamm auf der Straße. Befahren wird die vorerst aber ohnehin nicht. Dem Bezirksamt fehlt das Geld für notwendige Baumaßnahmen.

Durch die drohende Räumung fürchten auch die Nachbarn des seit zwölf Jahren auf der Kreuzberger Seite geduldeten X-Dorfes um ihre Existenz. „Da wir uns an willkürliche ASOG-Räumungen noch gut erinnern können, fühlen wir uns auch bedroht“, heißt es in einer Erklärung. Zumal die Bezirksgrenze mitten durch die Wagenburgen verläuft, befürchten sie, daß sie bei mangelnder Ortskenntnis der Polizeibeamten trotz Duldung ebenfalls geräumt werden.

Für den mutmaßlichen Räumungstermin – Mittwoch, 26. März –, ruft der Verein Wagenburg X-Dorf e. V. dazu auf, sich mit Frühstück frühmorgens auf dem Mariannenplatz einzufinden. Jeannette Goddar