Abgeschobene sind offiziell nicht vorhanden

■ Wo die nach Bosnien abgeschobenen Flüchtlinge bleiben, weiß vor Ort niemand. Ausländerbeauftragte fordert Rückkehr-Management

„Wir wissen nicht, wo sie sind.“ Auch nach dreimaligem Nachfragen gibt der stellvertretende Minister für Vertriebene und Flüchtlinge von Bosnien-Herzegowina die immer gleiche Antwort. Wahrscheinlich weiß Jusuf Boravac tatsächlich nicht, an welchem Ort sich die in den vergangenen Tagen aus Berlin abgeschobenenen Flüchtlinge mittlerweile befinden. Ob sie noch in Sarajevo sind, sich bei einer Hilfsorganisation gemeldet oder bei Freunden Unterschlupf gefunden haben, dazu kann er nichts sagen. Auch seine beiden Mitarbeiter, die nach eigenen Aussagen täglich mit Rückkehrern aus Deutschland zu tun haben, zucken nur mit den Schultern.

Nur diejenigen, die freiwillig aus Deutschland nach Bosnien zurückkehren, haben eine Chance, wenigstens in den ersten 48 Stunden betreut zu werden. Erreichen sie mit dem Flugzeug Sarajevo, haben sie die Möglichkeit, zwei Tage in einem sogenannten „Transit-Center“, einer Sammelunterkunft, zu übernachten und dann ihre Reise entweder – wenn möglich – in ihre Heimatstadt oder an einen anderen Ort fortzusetzen. Die per Flugzeug abgeschobenen Flüchtlinge jedoch werden in Sarajevo sowohl von offizieller als auch von regierungsunabhängigen Organisationen bisher weitgehend nicht wahrgenommen. Denn auch Mir Hunsia Komarica von der „Association of Refugees and Displaced Persons of Bosnia and Herzegowina“, einer der ältesten Flüchtlingsorganisationen mit Vertretungen u.a. in Berlin, weiß nichts über den Verbleib der abgeschobenen Flüchtlinge. Als Entschuldigung dient ihr die vage Erklärung, daß es „große Probleme in der Kommunikation in puncto Abschiebung sowohl auf der bosnischen als auch der deutschen Seite“ gebe.

Tatsächlich wissen sogar die bosnischen Behörden in Sarajevo oftmals nicht, welche Flüchtlinge aus welchen Städten abgeschoben werden. Das verantwortliche Innenministerium in Deutschland muß sich jede Abschiebung zwar vom bosnischen Konsulat oder der Botschaft bestätigen lassen, aber die endgültigen Abschiebelisten werden nicht unbedingt an die kommunale Verwaltung in Sarajevo weitergereicht. Die Bundesländer verfahren dabei sehr unterschiedlich: Aus Bayern, so sagt der stellvertrtende Flüchtlingsminister, habe er nur erfahren, daß in Kürze „50 Flüchtlinge und 15 Polizeibeamte“ in Sarajevo landen werden. Berlin habe dagegen eine detaillierte Liste mit Namen und Heimatort geschickt. Auch bemängelt er, daß die Gründe für die Abschiebung nicht bekanntgemacht würden: „Ich habe Angst, daß sich auf diesen Listen neben Kriminellen auch aufrichtige Leute befinden.“ Doch auch diesen macht Jusuf Boravac keine großen Hoffnungen. Denn als seine Hauptaufgabe sieht er immer noch die über 800.000 Binnenflüchtlinge, die ein viel dringenderes Problem als abgeschobene Flüchtlinge aus Deutschland darstellen: „Für andere haben wir momentan keinen Platz.“

Die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) hat ein „Rückkehrmanagement“ gefordert, um bosnischen Familien die freiwillige Rückkehr zu erleichtern. So würden zehn bosnischen Familien, die nach Ostern in das nordbosnische Dorf Odzak zurückkehren wollen, aus dem Etat der Ausländerbeauftragten vorfinanziert, da die eigentlich zuständigen Sozialämter zu langsam arbeiteten, sagte John. Jeder Erwachsene bekomme eine Starthilfe von 650 Mark und pro Kind 350 Mark.