Werder voll verglast

■ Bremens Trainer Dörner muß bleiben

Wo die Weser einen Bogen macht, steht das Stadion des SV Werder Bremen. Dort ist die Welt immer in Ordnung. Die Mannschaft setzt sich aus einer Fülle von überdurchschnittlich intelligenten Spielern (Todt, Bode), tapferen (Eilts), lustigen (Brandt), pannenfreien (Reck), spielstarken (Herzog), gutaussehenden (Ramzy) und wuchtigen Akteuren (Labbadia) zusammen. Der Vorstand unter der Leitung eines Arztes (Dr. Böhmert) verströmt die ganze Ruhe und Kraft der norddeutschen Tiefebene. Der sozialdemokratische Schacherer auf dem Managerposten (Willi Lemke) sorgt dafür, daß die Schatzkästlein des SV Werder voll sind und immer mehr Besucher die Spiele am Weserbogen in bequemen Sesseln hinter Glas verfolgen können. Und früher hatten sie noch einen Trainer, der die Durchlässigkeit der bundesrepublikanischen Gesellschaft dadurch zu illustrieren wußte, daß er vom Malergesellen in Essen zum König von Bremen wurde.

20 Monate ist es her, daß Otto Rehhagel ging. Hinterlassen hat er in Bremen ein Trainer-Schutzgebiet, wie es das in der Bundesliga sonst nicht mehr gibt. Ob Vereinsvorstand, Lokalpresse oder Publikum, alle branchenüblichen Beißreflexe hatte Rehhagel domestiziert. Als Übungsleiter von Werder Bremen muß man sich schon strafrechtliche Tatbestände zuschulden kommen lassen oder so schusselig wie Aad de Mos sein, um entlassen zu werden.

Einfacher Mißerfolg in Kombination mit hochlangweiligem Fußball reichen als Entlassungsgrund jedenfalls nicht – das ist Bremer Recht. Darauf kann das Team bauen. So schleppt es sich in einer geschickten Mixtur von raren Ausbrüchen ansprechender Leistungen und ganz viel konturlosem Graue-Maus-Fußball durchs Mittelfeld der Tabelle. Und niemand hätte wohl daran Anstoß zu nehmen gewagt, wäre die Mannschaft nun nicht auch im Heimspiel gegen den ziemlich unbegnadeten MSV Duisburg als Verlierer vom Platz gegangen. Schulter an Schulter gifteten hernach dpa und BamS von „spielerischem Offenbarungseid“ und „Niveau eines Absteigers“. Und ungeheuerlicherweise fragten sie auch nach der Arbeit von Trainer Hans-Jürgen Dörner, der diesen Fußball spielen läßt, so wenig funky, wie sein Spitzname „Dixie“ vermuten läßt.

Doch keine Angst, die Mannschaft steht „felsenfest“ (Reck) hinter Dörner, und „ein Trainerwechsel ist zur Zeit kein Thema“ (Vizepräsident Fischer). Da kann das Publikum auf den billigen Plätzen zu Füßen der just am Freitag eingeweihten VIP-Logen noch so lautstark des Trainers Entlassung fordern. Die Bremer werden das Problem in bewährter Manier lösen. Dörner muß bleiben. Derweil läßt Lemke an der Vollverglasung des Stadions arbeiten. Christoph Biermann