Unterm Strich

Nicht nur bei uns gefeiert: Auch die Leipziger Buchmesse hat am Freitag abend Martin Walser geehrt, der, siehe oben, an diesem Montag 70 Jahre alt wird. Auf einer Veranstaltung im Festsaal des Alten Rathauses würdigte der Berliner Publizist Friedrich Dieckmann Walser als einen „beharrlichen Arbeiter im Weinberg der deutschen Literatur“. Er nannte Walser einen der mutigsten deutschen Autoren, der sich in seiner Parteinahme für die Schwachen und Benachteiligten nie habe beirren lassen.

Seine kurze Erfahrungszeit mit einer Linksbindung habe Walser nie davon abgehalten zu sagen, was er für richtig und notwendig hielt, wobei ihm alles Rechthaberische immer ferngelegen habe. Dabei sei Walser vielleicht oft enttäuscht, aber nie entmutigt worden. Der Schriftsteller sei gern und beharrlich aus der Reihe getanzt. So habe Walser schon vor dem Fall der Mauer an ein Tabu gerührt, als er von der historischen Überwindbarkeit der deutschen Teilung gesprochen habe. „Die Geschichte gab ihm auf eine Weise recht, die er nicht vorhersehen konnte“, meinte Dieckmann und verwies auf Walsers Satz: „Die Überwindung der Spaltung können wir nur von uns selbst erwarten, nicht von Gorbatschow.“

Walser las anschließend aus seinen Büchern „Ohne einander“ und „Verteidigung der Kindheit“. Am Sonntag wird in Karlsruhe sein Theaterstück Kaschmir in Parching uraufgeführt.

Der Schriftsteller Jurek Becker hat im letzten Interview vor seinem Tod die „verpfuschte“ Wiedervereinigung bedauert. Becker, der am 14. März im Alter von 59 Jahren an Krebs gestorben war, verglich in einem Mitte Februar geführten Spiegel-Gespräch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten mit dem Untergang der DDR:

„Vergangenheit ist ja auch die Einheit. Auch die ist miserabel gemanagt worden. Auch die hätte man sich besser gemacht vorstellen können, aber wie es so oft ist: Verpfuscht ist verpfuscht, in den Brunnen gefallen ist in den Brunnen gefallen.“

Becker, der 1977 die DDR verlassen hatte, bekannte sich zur Idee eines zweiten deutschen Staates: „Ich hätte mir gewünscht, daß die DDR mehr Erfolg gehabt hätte [...]. Daß die DDR untergegangen ist, darum ist es nicht schade, diese DDR hatte es nicht besser verdient. Aber daß das, was die DDR hätte sein können, nach meiner Vermutung, untergegangen ist, darum tut es mir leid.“

Ausführlich nimmt der Autor, der im Getto von Lodz aufwuchs, in dem jetzt veröffentlichten Spiegel- Interview zu seiner jüdischen Herkunft Stellung, die er in seinen Erfolgsromanen wie „Jakob der Lügner“ (1969), „Der Boxer“ (1976) oder „Bronnsteins Kinder“ (1986) zum Thema machte: „Ich war irgendwie Kaspar Hauser, ich war in diese Welt gefallen mit acht Jahren. Und keiner hat mir erzählt, [...] was ich füreiner bin und was mit mir los ist und wo ich herkomme. [...] Wenn du nicht weißt, wo du herkommst, ist es ein wenig so, als ob du ein Leben lang mit einem Rucksack rumläufst, mit einem Sack auf dem Rücken, ohne zu wissen, was drin ist.“

Becker, der am Freitag in Sieseby bei Flensburg beigesetzt worden war, äußerte sich in dem Gespräch gelassen über seine tödliche Erkrankung. „Therapien, Arztbesuche, Medikamente, das ist alles irrsinnig lästig. Aber ich kann es mir nicht aussuchen, das ist wie ein Regen, das ist wie ein Gewitter, das ist Natur.“ Seinen so erfolgreichen Debütroman „Jakob der Lügner“ sah Jurek Becker im Alter eher kritisch. Das Buch sei zwar gut konzipiert, sei aber „voll von Sprachschludereien, die ich mir heute nicht mehr durchgehen lassen würde“.

Ravi Shankar ist nach einer eintägigen medizinischen Untersuchung wieder aus einem amerikanischen Krankenhaus entlassen worden.