„Space-Park-1“halbfertig

■ Abrißarbeiten auf AG-Weser-Gelände gehen in zweite Phase / Abschluß für Herbst angepeilt / AG-Weser-Kran von französischer Marine bezahlt / Demontage im Mai

Irgenwie hat man ihn vergessen – in der ersten Abrißphase. Jetzt steht er da, der Imbißwagen, geparkt vor der AG Weser, und trotzt Wind und Wetter. Die Buchstaben verblassen. „Frikadelle 2,-“und „Giros 6,-“. Im Wagen selbst liegt ein Schild. „Wird am Montag den 30.02.1996 abgeholt.“War aber nicht. Jetzt ist er selbst zur letzten Bastion der einstigen Normalität geworden. Neben seinen bunten, lebendigen Pommes-Schildchen prangt ein Warnschild. „Achtung Abrißarbeiten. Lebensgefahr.“Dahinter kommen 20 Hektar Mondlandschaft – „Space-Park-1“.

Ziemlich genau die Hälfte der ehemaligen AG Weser Werft ist inzwischen dem Erdboden gleichgemacht. Halbzeit nach knapp einem Jahr. Zerschreddert oder in handliche Teile geschweißt liegt die ruhmreiche Vergangenheit des Bremer Schiffbaus auf dem Gelände herum. Darüber steht immer noch als letztes, stolzes Symbol der 500-Tonnen-Kran.

Unerschütterlich trägt er die alten Insignien – „AG Weser“. Doch auch er ist verkauft. An die französische Marine in Brest. Über Kosten spricht man nicht. Irgendwas zwischen drei und fünf Millionen Mark soll er noch gebracht haben. Ausverkauf. „Das Geld ist überwiesen. Der gehört uns gar nicht mehr – wird im Mai abgeholt“, sagt Diedrich Tweitmann, Prokurist der SWG, der Firma, die das Gelände im Herbst dieses Jahres besenrein für den „Space-Park-2“abliefern soll. Wenn er denn kommt.

Was jetzt noch steht, hat ohnehin mehr mit Space zu tun, als jede computeranimiert-geplante Erlebniswelt für Touristen, die sich da mal über die alte Werftenlandschaft wälzen sollen. „Tor 3“steht da noch an einer der gigantischen Schiffbau-Kathedralen. Darüber türmen sich 15 Meter Schrott, der sich irgendwie aneinanderklammert. Das eine Ende ist grotesk ausgefranst, von baggernden Stahlmonstern angefressen. Unter der Decke harren tonnenschwere Laufkatzen, im Sprung verrostet. Blitze eines Schweißbrenners zucken durch die Halle wie Irrlichter. Eine Wellblechverkleidung knarzt im Wind. Automatisch geht man geduckt. Drohen einem doch jeden Moment viele, viele Jahre AG Weser auf den Kopf zu fallen.

Dagegen oder zumindest gegen kleinere AG Weser-Teile hängen überall Schilder: „Helmpflicht“. Und daß hier tatsächlich Lebensgefahr besteht. Zurecht: Einer der 30 Abrißarbeiter kam im vergangenen Monat ums Leben. Er brach durch eine der morschen Deckenplatten, stürzte 15 Meter in die Tiefe. „Das war aber der einzige schwere Unfall, den wir hier hatten“, sagt Tweitmann.

Dennoch bewegen sich die Abrißarbeiter merkwürdig sicher über die Kraterlandschaft. Einen Helm trägt kaum einer. „Die wollen die unbequemen Dinger einfach nicht tragen“, seufzt Chef Tweitmann. Trotzdem wird jeder Unbefugte mit den Worten „Hier brauchste –n Helm“aus der Halle geschmissen. Auch Fotos sind unerwünscht. „Der Chef will das nicht“, sagen zwei Männer in weißen Mondanzügen. Sie räumen die alte Paneelenhalle leer. Daß ist die, wo es gebrannt hat – Lacke. Jetzt darf man hier wieder arbeiten. „Die haben gemessen, ist wieder o.k.“, sagt einer der Männer in Weiß. Sie holen alle Maschinen-Reste aus dem ausgeglühten Inferno verzogener Stahlträger. Das Dach der kleinen Nachbarhalle ist halb eingestürzt. Jeden Moment kann es zusammenfallen. Einen LKW hat es bereits unter sich begraben. Aber macht nichts. Muß eh weg. Schließlich hat jetzt Abrißphase zwei begonnen.

Bald werden die baumdicken Stahlträger der verbliebenen Hallen in Fußhöhe durchgebrannt. Danach werden sie von großen Baggern einfach umgerissen. Den alten Fundamenten gehen die Abrißarbeiter mit mannshohen Meißeln an den Kragen. „Problematisch wird dabei wohl die alte Profilhalle mit ihren bis zu 2,5 Meter tiefen Fundamenten. Die wiegen schon so 50 bis 80 Tonnen“, sagt Tweitmann. Dann kommt der Bombensucher (“Nach dem Krieg ging hier die Produktion weiter. Da hat man nicht so genau nach Bomben gesucht.“), der Boden wird ausgebaggert, der Schutt weggekarrt. Insgesamt wohl 80.000 Kubikmeter Schutt und 5.000 Tonnen Stahl. 800 Kubikmeter Boden müssen zur Sonderdeponie. Sie stammen teils aus dem Boden unter der alten Verzinkerei. Zyanide, aber hochverdünnt. Oder Öl-Schlämme. „Aber alles nicht so wild“, versichert Tweitmann. Der Stahl läßt sich wieder verhütten, Schutt unter Straßen kippen. Schließlich wollen die Touristen im „Space-Park-2“nicht durch Morast waten – so wie die Besucher von „Space-Park-1“eins.

Aber der echte Space-Park wird auch viel billiger sein als sein Nachfolger. „25 bis 30 Millionen Mark wird der Spaß wohl kosten“, peilt Tweitmann über den Daumen. Der Touri-Space-Park soll mit allem Zick und Zack eine halbe Milliarde Mark kosten. Dabei ist schwer fraglich, ob er je soviel Flair haben wird, wie die abgewrackte Werft-Vergangenheit. Die ist – zumindest an Morbidität – nicht zu überbieten. Jens Tittmann