Diplomaten sind in Minsk unerwünscht

Weißrußlands Staatschef Alexander Lukaschenko mag sich nicht auf die Finger schauen lassen: Ausländer, die sich für die Anliegen der Bürger des Landes interessieren, fliegen raus  ■ Von Barbara Oertel

Berlin (taz) – Der Aufenthalt des US-Diplomaten in Weißrußland endete abrupt: Gestern wurde Serge Alexandrow, erster Sekretär der Botschaft in Minsk, als unerwünschte Person des Landes verwiesen. Am Sonntag war der US- Bürger mit weißrussischen Vorfahren bei einer Demonstration von mehreren tausend Regierungsgegnern in Minsk verhaftet worden. Der Vorwurf lautete auf Spionage für den US-Geheimdienst CIA.

Die Festnahme Alexandrows sei ungesetzlich und unhaltbar, kommentierte ein Botschaftssprecher den Vorfall. Und US-Botschafter Kenneth Jalowitz protestierte auf höchster Ebene gegen die Ausweisung. Bereits am Freitag hatten die USA ihre Wirtschaftshilfe eingefroren, weil in Weißrußland die Menschenrechte nicht geachtet würden. Doch auch die neuen Proteste dürften die Regierung in Minsk wenig beeindrucken. Denn die Jagd auf Ausländer hat in der Diktatur von Staatspräsident Alexander Lukaschenko Konjunktur. Erst in der vergangenen Woche war der geschäftsführende Direktor der George-Soros- Stiftung, Peter Bern, bei seiner Rückkehr auf dem Minsker Flughafen verhaftet und nach mehrstündigem Arrest abgeschoben worden. Bern wird vorgeworfen, durch seine Anwesenheit bei Demonstrationen das Gesetz über den Status von Ausländern in Weißrußland verletzt und sich in die inneren Angelegenheiten des Landes eingemischt zu haben.

Die Stimmungsmache gegen die Soros-Stiftung, die seit Januar 1993 in Weißrußland arbeitet und im vergangenen Jahr als gemeinnützige Organisation Projekte in Politik, Kultur und Bildung mit rund sechs Millionen US-Dollar förderte, besorgte die gleichgeschaltete Presse. „Das ist wirklich zu plump – die Soros-Stiftung unterstützt Leute, die der Staatsmacht feindlich gesinnt sind und erwartet dafür auch noch Gegenliebe und Respekt“, hetzte die Sowetskaja Belorussija, das Hausblatt von Präsident Lukaschenko. Die nicht weniger regierungstreue Minskaja Prawda vermerkte süffisant: „Vielleicht ist dieser Vorfall auch eine Lehre für diejenigen, die versuchen, sich nicht mit dem zu befassen, was ihnen laut ihrem Status in unserem souveränen und unabhängigen Staat zukäme.“

Für die Sprecherin der Stiftung, Veronika Begun, geht es bei dem Vorfall überhaupt nicht um die Person Peter Bern: „Das ist ein Angriff auf alle regierungsunabhängigen Organisationen und paßt in ein System, in dem demokratische Grundrechte ständig verletzt werden.“ Der Verdacht scheint gut begründet: Vor zwei Wochen erließ Lukaschenko ein Dekret, demzufolge Stiftungen und gemeinnützige Organisationen künftig 60 Prozent ihrer Mittel als Steuern an den Staat abführen müssen.

Wie derartige Kontrollen in der Praxis aussehen, erlebten die Mitarbeiter der Soros-Stiftung Ende vergangener Woche. Mitarbeiter des Geheimdienstes durchforsteten wiederholt Unterlagen der Stiftung – ohne gesetzliche Grundlage. „Wir kommen zwar alle täglich ins Büro. Aber arbeiten kann hier keiner mehr“, sagt Veronika Begun. „Wenn sich die Staatsmacht zum Ziel gesetzt hat, unsere Arbeit zu blockieren, dann hat sie dieses Ziel schon erreicht.“

Auch die nächsten Ziele hat Lukaschenko schon abgesteckt. Vor wenigen Tagen kündigte er auch bei anderen NGOs und Stiftungen massive Kontrollen an. Auch das ist wohl kein Zufall: Für den 2. April, den ersten Jahrestag des Vertrages über eine engere Zusammenarbeit mit Rußland, hat die Opposition größere Kundgebungen angekündigt.