Erbe und Aufbruch

■ Dresden im Umbruch – ein Vortrag

Die Veränderungen und Erblasten, mit denen Dresden seit dem Mauerfall umgehen muß, sind nirgendwo so ablesbar, wie in der Stadtentwicklung. Große verfallene Altstadtquartiere, Plattenbau, der bis zum historischen Zentrum reicht, dessen Wunden auch geschlossen sein wollen, und riesige, verlassene militärische Anlagen sind einige der titanisch anmutenden Probleme, mit denen die sächsischen Planer umgehen müssen. Dazu kommt eine gigantische Neuordnungen des Arbeitsmarktes, lange ungeklärte Besitzansprüche und der massive Eigenheimwunsch der Dresdner, alles Faktoren, die eine behutsame und elastische Stadtentwicklung erschweren.

Jörn Walter vom Planungsamt Dresden vermittelte bei seiner Zwischenbilanz nach 7 Jahren Kapitalismus am Montag in der Freien Akademie der Künste allerdings nicht das Gefühl, man ließe sich von der Wucht der Veränderung erdrücken. Vielmehr konnte er an vielen Beispielen zeigen, wie eine flexible Stadtplanung mit den oftmals konkurrierenden Interessen umgeht, ohne sich der redundanten Vorstellung von Identität zu ergeben, die man unter anderem in Hamburg vor sich herträgt.

Mit dem sensiblen Gespür für die breite Palette der Möglichkeiten von Stadtplanung zeigt Nagel auf, wie man zwischen der Sehnsucht nach Restauration und zeitgenössischer Nervosität verschiedene Architekturen und Konzepte in das Stadtgewebe integrieren kann. Gerade in einer Stadt, die noch immer schwer an ihrem verlorenen Erbe krankt, scheint es wichtig zu sein, nicht die alles nivellierende Balance zwischen gestern und morgen zu suchen, sondern beiden Aspekten dort Tribut zu zollen, wo es stadträumlich sinnvoll erscheint. Vom Wiederaufbau historischer Bausubstanz bis zum wilden Expressionismus von Coop Himmelb(l)au nimmt Dresden Pluralismus ernst. Spannend. tlb