„Noch kein Cliquen-Kontakt“

■ Seit 84 Tagen Jugendbeauftragter der Bremer Polizei: Wolfgang Merdes im Interview

taz: Jugendarbeit und Polizei – Sie wollen beides zusammenbringen?

Wolfgang Merdes, Jugendbeauftragter der Bremer Polizei : Polizei leistet einen großen Teil an Sozialarbeit. Das Ziel ist ja immer, Jugendliche von weiteren Straftaten abzuhalten. Das kann zwar die Polizei alleine nicht leisten, sie ist aber die erste Stelle im System, bei der straffällige Jugendliche landen. Sie muß Vertrauen aufbauen.

Das klingt logisch, funktioniert aber nicht. Fünfzehn Jahre lang hat sich die Bremer Polizei um Jugendliche so gut wie nicht gekümmert.

Es gab bis '82 Jugendschutzbeamte bei uns. Sie waren bekannt und erfolgreich, wurden bei Cliquenbildung sofort eingeschaltet, haben mit ihnen Gruppenarbeit gemacht. Diese Abteilungen wurden wegrationalisiert. Und die Kollegen haben den Draht zu den Jugendlichen verloren, sie sprachen zum Beispiel nicht mehr deren Sprache. Die Fälle wurden nur noch bürokratisch abgearbeitet.

Sind andere Bundesländer weiter?

Hamburg zum Beispiel. Die haben eine große Jugendabteilung und arbeiten kontinuierlich im Jugendschutz. Beamte gehen zu Großveranstaltungen, in Diskotheken – was bei uns noch völlig im Argen liegt.

Wenn wir der Statistik glauben, ist aber Hamburg eine der Städte mit extrem hohem Prozentsatz an sogenannter Kinder- und Jugendkriminalität.

Sie sind organisatorisch weiter. Wenn Hamburg sehr viele Straftaten hat, heißt das nicht, daß sie in dieser Richtung nichts tun. Je stärker Polizei sich in die Jugendarbeit einbindet, desto mehr wird eben auch das Dunkelfeld aufgehellt.

Was sich in mehr Anzeigen niederschlägt. Da muß sich doch die Polizei den Vorwurf gefallen lassen, daß sie dazu beiträgt, Kinder und Jugendliche zu kriminalisieren.

Natürlich erscheint dann der Name in den Akten. Solange aber jemand unter Einundzwanzig ist, taucht weder eine Straftat noch ein Urteil irgendwo in seinen Papieren auf. Ich sage stattdessen: Je eher man an einen jungen Menschen herankommt, der auffällig geworden ist, desto eher besteht die Chance, ihn aus diesem Teufelskreis der Straftaten herauszuziehen.

Innensenator Ralf Borttscheller ist glücklich darüber, daß die Schulen ihre Uniformängste abgebaut haben, wie er sagt, und sich uniformierte Beamte auf die Schulhöfe holen. Ist das in Ihrem Sinn?

Insofern, als die Schulen zu lange abgeblockt haben. Es ist nicht unsere Aufgabe, Aufsicht zu führen. Ich muß aber die Jugendlichen mit polizeilichen Maßnahmen konfrontieren, damit diejenigen rausgezogen werden können, die in den Anfängen stecken.

Wie unterscheidet da die Polizei?

Ich stelle mir das so vor: Die Vernehmung läuft anders. Wir fragen nach der häuslichen Situation, nach dem Freizeitverhalten, fragen: Bist du daran interessiert, daß dir geholfen wird? Wenn ja, dann schicken wir sie zu Jugendeinrichtungen. – Soweit sind wir aber leider noch nicht. Ich versuche das derzeit über Fortbildungen zu bewegen. Da müssen auch negative Emotionen den Jugendlichen gegenüber abgebaut werden.

Wir machen gerade das, was alle tun: Wir reden über Jugendliche. Kennen Sie die Szene?

Nur über diejenigen, die vor Ort mit den Jugendlichen zu tun haben.

Also aus zweiter Hand. Ihre Aufgabe ist doch eigentlich eine andere.

Ich bin bereit, mich mit vierzig Häuptern von Cliquen und Gruppen in einen Raum zu setzen. Ich wurde auch schon mal vom Jugendfreizeitheim in Lesum zu einem solchen Gespräch eingeladen. Ich konnte nur leider aus Termingründen nicht.

Es gab Wichtigeres?

Interview: Silvia Plahl