Berlin verfehlt sein Ziel beim Klimaschutz

■ Energiebericht der Umweltverwaltung fordert Neuausrichtung der Klimapolitik in der Stadt. Neben partiellen Fortschritten vor allem falsche Weichenstellungen bei Bau-, Industrie- und Verkehrspolitik

Berlin verfehlt sein selbstgestecktes Ziel beim Klimaschutz. Ohne eine drastische Kurskorrektur wird das Land es nicht schaffen, die Emissionen von Kohlendioxid bis zum Jahr 2010 um 25 Prozent zu senken. Das ist das Ergebnis des Berichts „Energiepolitik in Berlin 1990–1995“, der im Auftrag der Umweltverwaltung erstellt wurde und momentan den anderen Senatsverwaltungen zur Mitzeichnung vorliegt. In seinem Fazit fordert der Bericht eine radikale Neuorientierung der Politik beim Thema Klimaschutz: „Eine Überprüfung und Neuausrichtung der Energie- und Klimaschutzpolitik erscheint notwendig.“

Der Bericht, den das Öko-Institut, die Forschungsstelle Energiepolitik an der FU und die Energie- und Umwelt-Managementberatung Pöschk erstellt haben, zeichnet die Berliner Klimapolitik in den sechs Jahren des wirtschaftlichen Umbruchs detailliert nach. Einerseits, so die Gutachter, sei durch verschiedene Fördermaßnahmen „das Spektrum energiepolitischer Maßnahmen in fast allen Handlungsfeldern tendenziell erweitert worden“. So ging unter anderem der CO2-Ausstoß pro Kopf um 12 Prozent zurück, die Umweltbilanz der Bewag-Kraftwerke hat sich verbessert, die Umstellung der Gasversorgung und die Reparatur des undichten Gassystems haben den Ausstoß von Klimakillern weiter vermindert.

Doch nach den Reduzierungserfolgen in den Jahren 1990 bis 1994 drehte sich 1995 der Trend um. So importiert die Bewag verstärkt Strom, der im Umland mit erhöhter CO2-Produktion gewonnen wurde und macht damit die Anstrengungen um Umweltschutz in der Stadt zunichte: „Die Emissionsminderungen in der Stadt wurden im Jahr 1995 durch den erhöhten Stromimport vollständig kompensiert.“ Auch bei der angekündigten Schließung von Kraftwerken und dem Verkauf der Bewag drohen dem Klimaschutz Gefahren, schreiben die Gutachter. Die neuen Eigentümer der Bewag könnten sich von der Berliner Linie in der Klimapolitik verabschieden, die die umweltschonende Kraft-Wärme-Kopplung in den Kraftwerken vorschreibt. Eine solche Kursänderung „wird wahrscheinlich nicht zu kompensieren sein“, heißt es. Insgesamt hat Berlin erst 10 der insgesamt versprochenen 25 Prozent CO2 eingespart – zum größten Teil nicht als Folge der Politik, sondern als „Wall-Fall- Profit“ aus dem Zusammenbruch der Ostberliner Industrie.

Die Weichen für eine weitere Reduzierung werden nicht gestellt, moniert der Bericht. Um das angepeilte Ziel beim Wohnungsbau zu erreichen, müßten bis 2010 insgesamt 570.000 Wohnungen saniert werden – eine Aufgabe, die „allein über den bislang favorisierten förderungspolitischen Ansatz nicht zu finanzieren ist“.

Auch fehle es an einer „glaubwürdigen Vorreiterrolle des öffentlichen Sektors“ bei der Energieeinsparung, da die Ansätze dazu bisher „vereinzelt und vielfach nicht aufeinander abgestimmt sind“. Kritisiert wird auch die Berliner Industrie: Sie habe die Selbstverpflichtung der Industrie im Bund nicht regional umgesetzt und vermittle den Eindruck „energiepolitischen Stillstandes“, schreiben die Gutachter. Auch beim Thema Verkehr gebe es zwar „ambitionierte Absichtserklärungen, aber kaum adäquate Lösungsansätze“. Die Politik des Senats, verstärkt auf Straßenbau zu setzen, werde im Gegenteil mehr Verkehr und daher mehr Emissionen zur Folge haben. Bernhard Pötter

Ausführlicher Bericht Seite 27