Ein Lob der anhaltenden Beunruhigung

■ Mördersuche auf hohem erzählerischem Niveau: „Profiler“ um 21.15 Uhr auf Vox

„Jack-of-all-trades“ ist ein Serienkiller mit Sportsgeist. Aus den Medien hat er erfahren, daß die Kriminalpsychologin Dr. Sam Waters in seinem Fall ermittelt. Jack betrachtet die hochqualifizierte FBI-Mitarbeiterin als würdigen Gegner. Dann jedoch legt Sam Waters ihre Arbeit nieder, weil sie sich bereits zu sehr in den anonymen Mörder eingefühlt hat und um des eigenen Seelenfriedens willen dringend Abstand gewinnen muß. „Jack-of-all-trades“ aber will weiterspielen und reagiert wie ein trotziges Kind: Er ermordet Sam Waters' Ehemann, um ihre Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Drei Jahre später lebt Sam Waters mit ihrer Tochter und einer Freundin versteckt auf dem Lande, als FBI- Agent Malone (Robert Davi) ihre Hilfe benötigt, um eine andere Mordserie zu beenden. Die Kriminalpsychologin verfügt nämlich über das besondere Talent, den Ablauf eines Verbrechens aus dem Blickwinkel des Täters oder des Opfers imaginieren zu können. Nach längerer Bedenkzeit kehrt sie in den aktiven Dienst zurück, um sich zusammen mit Malones Team künftig weiteren extremen Kriminalfällen zu widmen. „Jack- of-all-trades“ bleibt diese Entwicklung nicht verborgen, und er nimmt das alte Katz-und-Maus- Spiel wieder auf...

In das konventionelle System aus Konstanten und Variablen einer episodischen Serie fügt Cynthia Saunders in ihrer sinistren Thrillerserie „Profiler“ zusätzlich als durchgehendes Thema die Auseinandersetzung mit dem Phantom „Jack-of-all-trades“, der zu einer permanenten Bedrohung für die Heldin und ihre Angehörigen wird. Dieser dramaturgische Kniff bewirkt eine anhaltende Beunruhigung, zusätzlich befördert durch die Umsetzung in einer bildnerischen Hochsprache: Um Sam Waters' Erinnerungsfetzen, Gedankensplitter, Imaginationen zu visualisieren, bedienen sich die diversen Regisseure verfremdender Stilmittel, wie man sie weiland nur aus Avantgardefilmen kannte, ehe sie als „Videoclip-Ästhetik“ in Verruf gerieten. Doppelbelichtungen, Jump cuts, Negativbilder und Verzerrungen sind dabei nicht arabeskes L'art pour l'art, sondern stehen im Dienst der Geschichte, die zuvörderst von den Schauspielern getragen wird. Vor allem die Hauptdarstellerin Ally Walker ist ein Ereignis. Sie versteht es, die stets widersprüchlichen Empfindungen der Hauptfigur kenntlich zu machen – der Abscheu der Privatperson gegen die schockierenden Details einer Mordtat geht einher mit dem professionellen Interesse der Kriminalpsychologin, persönliche Anteilnahme mit der kühlen Unnachgiebigkeit einer ermittelnden Polizistin; unerwartet kann auf eine emotionale Äußerung ein Beweis ungeahnter Kaltblütigkeit folgen. Einiges von dem vermittelt Ally Walker über Nuancierungen der Stimme, ein Effekt, der durch die Synchronisation leider verlorenging. Wer Zugriff auf das Satellitenprogramm NBC hat, kann sich dessen vergewissern – dort läuft „Profiler“ samstags um 21 Uhr und sonntags um 23 Uhr in amerikanischer Sprache. Harald Keller