Euro soll sozial sein

■ Höhe der Arbeitslosigkeit soll Kriterium bei der Währungsunion werden, fordert Chef der IG-Chemie

Berlin/Bonn (taz/AP/rtr) – Noch gerade neun Monate haben die europäischen Staatsoberhäupter, um ihre Länder fit für den Euro zu machen. Deutschland würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Kriterien des Maastricht-Vertrages nicht erfüllen. Am Ende des Jahres sieht es nach Berechnungen des industrienahen Instituts der deutschen Wirtschaft nicht besser aus. Nur noch mit einem „gewaltigen Kraftakt“ werde Deutschland die Kriterien erfüllen. Nur wenn die Staatseinnahmen gegenüber 1996 um 3,5 Prozent ansteigen und gleichzeitig die Ausgaben gesenkt werden, sei die Maastricht-Hürde noch zu überspringen. Allein der Bund müsse seine Neuverschuldung um mindestens 25 Milliarden Mark verringern.

Ungeachtet dessen konnte Kanzler Helmut Kohl in den vergangenen Tagen nicht oft genug betonen, daß er unbedingt für einen pünktlichen Beginn am 1. Januar 1999 ist. Aber, schrieb er in der Sparkassenzeitung, „die Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages stehen nicht zur Disposition.“ Auch die Gewerkschaften machen sich nun Gedanken um den Euro. Eine niedrige Arbeitslosenquote solle als weitere Bedingung für die Teilnahme am Euro festgeschrieben werden, forderte der IG-Chemie-Vorsitzende Hubertus Schmoldt. Er warf zwar der Bundesregierung vor, mit dem Abbau von Sozialleistungen den Euro möglich zu machen. Dennoch plädierte er für die Einführung des Euro zum geplanten Zeitpunkt. So, wie neuerdings auch Finanzminister Theo Waigel, sagte Schmoldt, die Bedingungen für den Beitritt zur künftigen europäischen Währung dürften nicht zu eng ausgelegt werden.

Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Margret Mönig- Raane, findet, daß Europa eine gemeinsame Währung brauche. „So stellen wir uns das nicht vor“, sagte sie. Mit dieser falschen Stabilitätspolitik und an rein monetären Kriterien orientiert, könne der Euro nicht eingeführt werden. Deshalb hänge ihre Gewerkschaft auch nicht an einem „Fahrplan, der nur einzuhalten ist, wenn die sowieso schon vorherrschende Sparpolitik der EU-Länder gegen eine wirksame Nachfrage- und Beschäftigungspolitik noch verstärkt wird“.

Nach einer Umfrage des Handelsblatts nehmen die Gemeinden den jüngsten Vorstoß Waigels und anderer Unionspolitiker, weitere Einsparungen bei der Sozialhilfe vorzunehmen, sehr reserviert auf. Kürzungen seien möglich, aber unnötig: An den Schulden der Kommunen werde der Euro nicht scheitern. „Waigel wirft hier eine Nebelkerze“, meinte Frank Stein, Finanzexperte beim Städte- und Gemeindebund. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Stübgen sprach sich gegen die Kürzung der Sozialhilfe aus: „Damit treiben wir geradezu die Opposition, uns vorzuführen.“