Gesetz für sieben Millionen Ausländer

Bündnisgrüne fordern Niederlassungsrecht für Einwanderer aus Drittstaaten. Damit würden sie die gleichen Rechte und Pflichten haben wie Ausländer aus den EU-Staaten  ■ Aus Bonn Markus Franz

Die Bündnisgrünen wollen in Deutschland lebende Ausländern aus Drittstaaten mit Ausländern aus der EU gleichstellen. Gestern hat der einwanderungspolitische Sprecher Cem Özdemir einen Entwurf zu einem sogenannten Niederlassungsgesetz vorgelegt. Danach erhalten Einwanderer, die bereits dauerhaft mehr als fünf Jahre in Deutschland leben, die Niederlassungsberechtigung und somit die gleichen Rechte wie deutsche Staatsangehörige und EU-Bürger – soweit nicht verfassungsrechtliche oder völkerrechtliche Schranken bestehen.

Durch die Niederlassungsberechtigung sollen die bisherigen sieben unterschiedlichen Titel wie Aufenthaltserlaubnis, -berechtigung, -befugnis etc. ersetzt werden. 70 bis 80 Prozent der in Deutschland lebenden über sieben Millionen Ausländer wären davon betroffen. Ergänzend wollen die Grünen demnächst ein Einwanderungsgesetz vorstellen sowie eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, wonach in Deutschland lebende Ausländer nach acht Jahren deutsche Staatsbürger werden können.

Das Niederlassungsgesetz verleiht Ausländern zusätzliche Rechte, wie etwa Ansprüche auf Versammlungs- und Vereinsfreiheit, Zugang zu Schulen und Ausbildungsförderung sowie einen besseren Schutz vor Abschiebung. Ein Kommunalwahlrecht käme aus verfassungsrechtlichen Gründen zunächst nicht in Betracht. Dazu müßte erst das Grundgesetz geändert werden. Cem Özdemir forderte die SPD gestern dazu auf, eine entsprechende Gesetzesinitiative zu ergreifen. Die Grünen würden sich dann anschließen. Es sei nicht einzusehen, daß sich etwa ein Portugiese, der drei Monate in Deutschland lebe, an Kommunalwahlen beteiligen dürfe, nicht aber ein Türke, der seit 30 Jahren hier wohne. Die Benachteiligung der fünf Millionen Mitbürger aus Nicht-EU-Staaten führe zu einer ambivalenten Einstellung gegenüber Deutschland, weil sie nicht dazugehörten. Ein ungleicher Rechtsstatus behindere die Kooperation zwischen Bevölkerungsgruppen und fördere feindliche Einstellungen und Handlungen. Der ethnische Fanatismus wiederum gelte Hardlinerner wie Bundesinnenminister „Ajatollah“ Kanther als Vorwand für den fortdauernden Auschluß von Bürgerrechten. „Ein Teufelskreis“, so Cem Özdemir. Gerade in einer Zeit zunehmender globaler Aufgaben sei es ein Anachronismus, ganze Bevölkerungsgruppen von der Lösung dieser Probleme auszuschließen. Dies stelle nicht nur eine Menschenrechtsverletzung dar, sondern beraube das Einwanderungsland der notwendigen Beteiligung der Ausgeschlossenen an der Lösung der Probleme.

Özdemir zeigte sich optimistisch, daß es bald zu einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und somit zu einer automatischen Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern kommt. Die FDP sowie Teile der CDU setzen sich dafür ein. Gegenteilige Äußerungen, insbesondere von CSU-Politikern, seien nur noch „Rückzugsgefechte“, so Cem Özdemir. Wer von „Zwangsgermanisierung“ spreche (CSU- Landesgruppenchef Michael Glos), scheine von einer „germanischen Zwangsneurose“ befallen zu sein.