Stil- und Existenzfragen

■ Stahlarbeiterproteste gegen die Banken

Die Straße erlebt derzeit eine Renaissance als Keimbahn gesellschaftlicher Veränderung. Zehntausende AKW-Gegner sperren die Landstraße nach Gorleben für den Castor-Transport – und treiben damit dessen Kosten in eine unwirtschaftliche Größenordnung. Zehntausende Kumpel blockieren die Adenauer-Allee in Bonn und erzwingen einen weitgehenden Erhalt der Steinkohlesubventionen. Und nun ziehen Tausende von Stahlarbeitern vor die Zentrale der Deutschen Bank – und finden sich unversehens in einer Sackgasse wieder. Ein weiter Weg – und ein wirkungsloser Protest. So naheliegend der Angriff auf die Banken als hintergründig treibende Mächte der feindlichen Übernahme des Thyssen- Konzerns war, so unangreifbar ist deren Position im Lichte der nun erzielten Vereinbarung zwischen Krupp und Thyssen.

Sie haben in einer rüden Art befördert, was im Resultat selbst von der nordrhein-westfälischen SPD mitgetragen wird. Die SPD hütet sich denn auch, die Rolle der Banken zu thematisieren und deren universelles Aktionsfeld als Kreditgeber und Anteilseigner ernsthaft begrenzen zu wollen. Doch dies hätte der einzig schlüssige Gegenstand der gestrigen Demonstration sein können. Die Kritik focussierte sich hingegen von Anfang an auf eine, vom Standpunkt der Arbeiter betrachtet, eher nebensächliche Frage unternehmenspolitischen Komments.

Deutsche Bank, das war für einige Tage der Kopf eines Kapitalismus, dessen häßliche Fratze den Namen Cromme trug. Das Erschrecken über die US-Manieren, die so unfreundlich von Krupp übernommen wurden, ließ vergessen, daß die direkt Betroffenen die konkurrierende, um ihre Eigenständigkeit bangende Konzernspitze von Thyssen war. Ob die Übernahme nun unfreundlich, wie geplant, oder einvernehmlich, wie abzusehen, passiert – für die Belegschaften beider Konzerne dürften sich die Resultate allenfalls graduell unterscheiden. Abbau von Arbeitsplätzen droht so oder so. Die SPD hatte dies bereits im Blick, als sie sich den verfeindeten Konzernführern als Vermittler andiente. Es hängt nun an dem Geschick, mit dem Clement die Belegschaftsinteressen in die Zusammenlegungsverhandlungen einfließen läßt. Nicht nur die Straße, auch der Betriebsrat der Nation ist derzeit eine gefragte Einrichtung. Dieter Rulff