Frau braucht Quote

■ betr.: „Wie von einem anderen Stern“ (Quotilden und Quotistas), taz vom 20. 3. 97

[...] Ich sage, Frau Reichardt hat keine Ahnung. Frauen, die was können, setzen sich nur durch, wenn sie dürfen, wenn irgendein gnädiger Chef ihren Arsch und ihre Titten bemerkt. Fachkenntnisse sind erst mal zweitrangig. Ich weiß, wovon ich rede. Ich war 25 als ich mein BWL-Studium beendete und ich war arbeitslos. Das war 1988! Daß das mit der Gleichberechtigung nicht so lief, fiel mir gleich auf, denn meine männlichen Kommilitonen hatten alle eine Stelle, seltsam?! Ich bewarb mich wie der Teufel, ein Personalchef wollte meinen Uterus in Spiritus auf dem Tisch stehen sehen, bevor er mir eine Stelle anbot, der andere redete ständig von meinen blauen Augen, ich kriegte weder die eine noch die andere Stelle, behielt dafür meinen Uterus und meine Unschuld.

[...] Schließlich landete ich als Ausbildungsleiterin in einer Sparkasse, dort sagten mir meine männlichen Kollegen gleich am ersten Tag ganz offen, daß ich nicht erwünscht sei. Schließlich sei ich eine branchenfremde Kraft – ich hatte ja nur BWL studiert – und außerdem noch eine weitere Frau in einer sogenannten Führungsposition. Ich hatte zum Glück eine weibliche Vorgesetzte, die war groß, schön, blond, und deshalb hatte sie seinerzeit die Stelle gekriegt; sehr zum Leidwesen der Herren war sie auch intelligent und frech. Wir hatte eine geile, gemeinsame Zeit, wir nahmen die Kriegserklärung an und wir litten und lachten viel. Wir gewannen ein paar Schlachten, aber der Kampf ist noch lange nicht ausgefochten.

Seit 1995 gilt in Rheinland-Pfalz für den öffentlichen Dienst, zu dem auch Sparkassen gehören, das Landesgleichstellungsgesetz: „Wenn eine weibliche Bewerberin mit einen gleichqualifizierten männlichen Bewerber in Konkurrenz um eine zu besetzende Stelle steht, ist der Frau der Vorzug zu geben.“ Es sorgt für gehörige Aufregung bei den Herren der Schöpfung, denen es nun scheinbar an Schlips und Kragen gehen soll, und ich amüsiere mich sehr dabei. Plötzlich ruft mann nach dem Grundgesetz, denn niemand darf aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden. Da drängt sich doch der Verdacht auf, daß Männer den direkten Vergleich mit Frauen scheuen, weil sie die Demaskierung des „Mythos Mann“ fürchten.

Zweitens, Frau Reichardt: Frauen, die sich für eine Familie entscheiden, wollen keine Karriere machen. Aha!

Vielleicht ist irgend jemand schon aufgefallen, daß es zu wenig flankierende Maßnahmen gibt, die Frauen nach der Geburt eines Kindes den Wiedereinstieg in den Beruf erleichtern. Übrigens: Auch Väter können Erziehungsurlaub beantragen!

Viele Frauen fühlen sich aufgrund der derzeitigen Strukturen (Kindergartenöffnungszeiten etc.) nicht in der Lage, wieder voll ins Berufsleben einzusteigen. Das Gleichstellungsgesetz fordert deshalb den Ausbau von Teilzeitarbeitsplätzen. Aber: Betrachtet man sich die momentane Situation von TeilzeitarbeiterInnen (zirka 90 Prozent Frauen), wird sehr schnell klar, warum Teilzeit für Männer nicht attraktiv ist. Schlechter bezahlte, schlechter qualifizierte Arbeitsplätze, Ende der Karriereleiter, Beförderungsstopp etc. Die AutorInnen des Gleichstellungsgesetzes behaupten zu Recht, daß qualifizierte und verantwortungsvolle Tätigkeiten sehr wohl in Teilzeitform ausgeübt werden können. Die ständige Präsenz eines Chefs oder einer Chefin vor Ort ist nicht zwangsläufig, in manchen Fällen kann die Absenz sogar sehr wohltuend sein. Außerdem ist jeder ersetzbar, aber das ist die Krux: Verstehen sich doch die Altvorderen als Nabel der Welt oder wenigstens als der des Unternehmens, und sie können sich überhaupt nicht vorstellen, daß es auch ohne sie geht. Omnipotenzwahn gepaart mit Arroganz läßt keine anderen Götter neben ihnen zu.

Offensichtlich ist doch: Frau braucht solange die Quote, bis ein anderes Bewußtsein vorhanden ist, bis sich eine natürliche Akzeptanz für Frauen im Beruf, gleichgültig in welcher Position, durchgesetzt hat. Quoten und Gleichstellungsgesetze verwirklichen vielleicht nicht die real existierende Gleichberechtigung von Mann und Frau, denn der Wandel muß in den Köpfen jedes Einzelnen stattfinden. Aber solange sich dieser Wandel nicht vollzogen hat, muß es sie geben, sonst wird immer wieder und aufs neue um Selbstverständliches gerungen, was an der Schwelle des 21. Jahrhunderts mittelalterlich anmutet. [...] Christine Haas, Schopp

Ach liebe taz, wie ist Dir doch früher, als es noch angesagt war & für hip galt, das „I“ so kämpferisch und leicht aus allen Federn gefloßen. Jetzt, in den postfeministischen Zeiten der p.c.-Häme, wird der Gebrauch des „I“ ebenso belächelt und stigmatisiert wie die „Quotenfrau“.

& schwups, auch in der taz findet's sich fast nicht mehr.

Dafür erfahre ich aber von Mechtild Jansen im Ladies Almanach, daß der Anteil von Frauen unter den Richtern von 21 auf 36 Prozent und unter den Hochschullehrern von 9 auf 13 gestiegen ist. Da wird's dann tatsächlich „Wie von einem anderen Stern“, besonders, wenn danach der Blick auf die Nacktarsch-Ganzseitenwerbung vom Stern fällt. [...] Andrea Weisbrod, Hamburg