Richter empfehlen Privatschulen das Sponsoring

■ Wie hoch darf das Schulgeld für eine Privatschule sein? Das Verfassungsgericht will sich nicht festlegen und setzt statt dessen auf Leistungen privater Unterstützer

Freiburg (taz) – Etwa fünf Prozent aller deutschen Schüler gehen auf sogenannte Ersatzschulen. Das sind Privatschulen, die öffentliche Schulen ersetzen. Dort versteht man sich selbst als Hefe im trägen Teig des öffentlichen Schulwesens. Kritiker fürchten jedoch die Entstehung von undemokratischen Eliteschulen oder zumindest teurer Subventionsfälle. Immer wieder muß deshalb das Bundesverfassungsgericht eingreifen und sich mit der Finanzierung von Waldorf-, kirchlichen und sonstigen Privatschulen beschäftigen. Erst in der letzten Woche setzten die roten Roben neue Akzente, indem sie die finanzielle Eigenverantwortung der Schulbetreiber betonten.

Anlaß für die Entscheidung bot der Fall eines privaten Berufskollegs in Isny (Allgäu). Weil die staatlichen Zuschüsse im Lauf der Zeit nur noch 60 Prozent der Gesamtkosten deckten, hatte das Berufskolleg vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen höhere Beihilfen eingefordert. Die ansonsten erforderliche Erhöhung des Schulgelds auf über 200 Mark pro Monat sei den Schülern nicht zuzumuten. Diese Ansicht teilten die Sigmaringer Richter, setzten das Verfahren aus und fragten Karlsruhe nach der Verfassungsmäßigkeit des baden- württembergischen Privatschulgesetzes.

Die roten Roben erklärten die Richtervorlage jedoch schlicht für unzulässig. Das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend erläutert, warum das maximal zulässige Schulgeld gerade bei 120 Mark liegen solle. Das Verfassungsgericht drückte sich damit um eine klare Aussage in einem komplizierten Abwägungsprozeß.

Einerseits findet sich in der Verfassung ein Grundrecht auf den Betrieb von Privatschulen. Andererseits sind die Anforderungen an die Betreiber einer Ersatzschule sehr widersprüchlich. So soll die freie Lehranstalt in ihrem Leistungsniveau nicht hinter dem öffentlichen Schulwesen zurückstehen. Auch die wirtschaftliche Stellung der Lehrkräfte soll gesichert sein. Beides ist aber teuer. Gleichzeitig müssen die Elternbeiträge laut Grundgesetz so niedrig sein, daß die Schule nicht nur von Kindern gehobener Schichten besucht werden kann. Weil ein Betreiber faktisch gar nicht alle dieser Auflagen aus eigener Kraft erfüllen kann, muß letztlich der Staat die Ersatzschulen fördern, so das Verfassungsgericht in zahlreichen Urteilen. Bei den Modalitäten der Förderung räumt Karlsruhe dem Gesetzgeber allerdings einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Laut Verfassungsgericht bezieht sich die grundgesetzliche Existenzgarantie auch nicht auf einzelne Privatschulen, sondern nur auf das Privatschulwesen insgesamt.

Eher beiläufig hatte Karlsruhe 1994 in einem Urteil bemerkt: „Es liegt auf der Hand, daß Beträge in der Größenordnung von monatlich 170 bis 190 Mark nicht von allen Eltern gezahlt werden können.“ Zumindest eine Erläuterung dieses Satzes hätte man nun erwarten können.

Immerhin beziffert der Bund freier Waldorfschulen das in seinen Einrichtungen zu zahlende Schulgeld auf monatlich 200 Mark. Auch andere private Lehranstalten liegen oft deutlich über dem Karlsruher Richtwert, räumt Bernhard Marohn als Sprecher des Verbands deutscher Privatschulen (VDP) ein. Mit Beanstandungen seitens der Schulaufsicht rechnet er aber nicht: „Die wären doch dumm, wenn sie eine Senkung der Schulgelder fordern würden. Da müßten sie ja die Zuschüsse erhöhen, um eine Schließung der Schulen zu verhindern.“

In den Kultusministerien sieht man das natürlich anders. „Fast alle Privatschulen haben ihr Schulgeld nach sozialen Kriterien gestaffelt. Damit wird eine soziale Auslese der Schüler ausreichend verhindert“, erklärt etwa Volker Gehlhaar, der Sprecher des Stuttgarter Kultusministeriums. Außerdem dürften, so Gehlhaar, Extraleistungen wie die Ganztagsbetreuung der Schüler auch extra berechnet werden.

Zwischen Erhöhung des Schulgelds und Steigerung der Landeszuschüsse hat Karlsruhe jetzt allerdings einen dritten Weg in den Vordergrund gerückt: Die Schulträger sollten ihre Eigenleistungen erhöhen. Gedacht ist dabei an Spenden, Kredite und Zuschüsse der hinter einer Schule stehenden ideellen Kräfte. Wer keine Eigenleistungen erbringe, habe auch keine staatliche Förderung verdient, heißt es sinngemäß in der Entscheidung.

Modell standen dabei vor allem die konfessionellen Schulen, die dank kirchlicher Zuschüsse nur geringe Schulgelder verlangen. „Die Anthroposophische Gesellschaft hat aber in Deutschland nur 20.000 Mitglieder und keine Mittel, die sie in die Waldorfschulen stecken kann“, betont Hans-Jürgen Bader, der Justitiar des Waldorf-Bundes. Auch VDP-Sprecher Marohn empfindet die Karlsruher Hinweise als Zumutung: „Mit Krediten kann man vielleicht einen Staat finanzieren, aber keine Privatschule“ (Az.: 1 BvL 26/96 und 27/96).“ Christian Rath