Nicht noch hoppeln

Herbert Miesner ist Hanni Hase: Ein Postbeamter aus Ostereistedt und die Kinderbriefe  ■ Von Heike Haarhoff

Einmal war Hanni Hase schon geneigt, den bei ihm eingegangenen Brief postwendend an den Weihnachtsmann weiterzuleiten. Schließlich kann ein Osterhase nicht alle Kinderwünsche erfüllen. Nicht nur bescheiden um Bast-Flecht-Körbchen mit rosa Kunstgras drin und um hartgekochte Eier mit blauen Flecken und anderen zierenden Farbergüssen hatten die gebeten, nein: „Haustiere, Fahrräder, Roller-Skates, Barbiepuppen wollten die haben – zu Ostern!“

Das überfordert selbst einen alten Profi-Hasen wie Hanni, der schon jahrelang in der Post der Gemeinde Ostereistedt im Kreis Rotenburg / Wümme hockt und dort neuerdings zur Osterzeit die vertraulichen „Briefe von meist drei- bis zehnjährigen Kindern an den Osterhasen“liest und, er schwört's, „alle beantwortet“.

Denn dafür hat ihn die Post, seine Arbeitgeberin im normalen Berufsleben, in dem Herbert Miesner am Schalter Briefmarken klebt und Postschecks einlöst, extra freigestellt: Nur für gut drei Wochen, seit dem 12. März, ist Herbert Miesner Hanni Hase. Während dieser Zeit widmet er sich ganz „den 5.000 Zuschriften, die hier allein dieses Jahr schon eingegangen sind, aus dem ganzen Bundesgebiet, aber auch aus Frankreich, England und der Schweiz“.

Obwohl er sich aus über 40jähriger Distanz nicht mehr eindeutig zu erinnern vermag, „ob ich selbst als Kind an den Osterhasen geglaubt habe“, nimmt er die Wünsche, Bitten und Forderungen der Kids von heute „sehr ernst“; „viele“, sagt er erleichtert, „schicken aber auch nur Bilder“. Da sei das dann „mit dem Lesen weniger“, und einigen Briefen sei auch „eindeutig der Schreibstil der Eltern“anzumerken. Die nämlich äußerten eher zurückhaltende Wünsche wie: „Lieber Osterhase, bring mir Ostereier“. Weggeschmissen wird nichts – das Zentralarchiv der „Briefe an den Osterhasen“ist bei der Post in Hannover.

Hanni Hase schreibt seinen Fans dann, daß er die ganze Zeit Ostereier bemale, was eigentlich ein bißchen geflunkert ist, aber so steht es nun mal im Standard-Antwort-Vordruck der Post. Und daß er überhaupt „viel zu tun“habe, müssen die Kinder auch hinnehmen. Zum Trost gibt's einen Osterhasen zum Ausmalen auf der Rückseite.

Persönliche Besuche bei Hanni sind ausgeschlossen. „Das Postamt ist so gut gesichert, da kommt man nicht so einfach rein.“Und das ist gut so, findet der zivile Herbert Miesner, der „lieber nicht“in die Verlegenheit kommen möchte, sich womöglich ein Kostüm mit langen Schlappohren und Streichelfell zulegen zu müssen: „Ja, soll ich denn auch noch hoppeln?“

P.S.: Für Nachzügler, die Ostern verpennt haben, hat Hanni Hase auch ein Herz. Noch bis zum 5. April werden alle Briefe beantwortet, die bei Hanni Hase, Am Waldrand 12, 27404 Ostereistedt, ankommen.