Totalabriß in Tonndorf?

Durch Verzicht auf Instandsetzung versucht eine Bau-Genossenschaft, den Abbruch der Siedlung Küpersstieg zu erreichen  ■ Von Marco Carini

„Wir wollen hier wohnen bleiben.“Wie Helmut Schröder wollen fast alle BewohnerInnen der Gartensiedlung am Küpersstieg in Tonndorf für den Erhalt ihrer Reihenhäuser im Grünen kämpfen. Doch die „Wohnungsbaugenossenschaft Hamburg-Wandsbek“läßt die 1952 erbaute Siedlung seit Jahren verfallen und immer mehr Wohneinheiten – mittlerweile 13 – leerstehen. Weder das Wandsbeker Bezirksamt noch die Bezirksversammlung schritten bislang ein.

Die SiedlerInnen, die sich zu einer MieterInnen-Initiative zusammengeschlossen haben, befürchten, daß ihre Häuser abgerissen und durch teure Neubauten ersetzt werden sollen. Die Genossenschaft – bei der am Gründonnerstag nur ein Anrufbeantworter zu erreichen war – aber hüllt sich über ihre Pläne in Schweigen. Bislang hat sie weder einen Abriß- noch einen Neubauantrag gestellt. „Wir bekommen seit Monaten weder Informationen noch einen Gesprächstermin“, klagt der 49jährige Schröder.

Ein Schreiben der Wohnungsgenossenschaft an den „Mieterverein zu Hamburg“vom Februar dieses Jahres läßt die Richtung erkennen. In dem Brief teilte die Genossenschaft mit, daß sie „umfangreiche Instandsetzungsarbeiten“an der Siedlung „nicht mehr durchführen“werde, da die Substanz „der Häuser abgängig ist“.

Dazu hat die Genossenschaft nach Kräften beigetragen: „Seit 20 Jahren hat es hier keinen neuen Außenanstrich gegeben“, klagt Helmut Schröder. Die Folge: Viele Außenwände sind durchfeuchtet, der Putz bröckelt. Aus den leerstehenden Wohnungen wurden bereits die Heizkörper entfernt, im Winter brach ein Teil der Wasserrohre. Ein von der Genossenschaft in Auftrag gegebenes Gutachten besagt, daß sich „der Sanierungsbedarf für die 82 Wohneinheiten auf rund 4,5 Millionen Mark angehäuft hat“.

„Wir können die Genossenschaft zur Instandsetzung und Wiedervermietung zwingen“, erläutert der Wandsbeker Baudezernent Rainer Riedel die Rechtslage. Daß dies noch nicht geschehen ist, begründet er damit, daß das zuständige Einwohneramt die entsprechenden Anträge „noch nicht abgearbeitet habe“.

In der Wandsbeker Bezirksversammlung stand die Zukunft der rund 30.000 Quadratmeter großen Reihenhaussiedlung vor genau einem Jahr schon mal auf der Tagesordnung. SPD und CDU wollten am 28. März 1996 einen Antrag einbringen, nach der jede Neubebauung der Siedlungsfläche abgelehnt wurde. In letzter Minute aber verweigerte die CDU kommentarlos ihrem eigenen Antrag die Zustimmung. Nicht nur die GAL vermutet, daß den Christdemokraten aufgefallen war, daß ihr Bezirksabgeordneter Bruno Claußen im Aufsichtsrat der Genossenschaft sitzt. Der interfraktionelle Antrag wurde zur Beratung in die Ausschüsse verwiesen – und verschwand bis heute in der Versenkung.

Die neueste Offensive der Genossenschaft, in deren Schubladen nach taz-Informationen bereits Pläne für eine bis zu sechsgeschossige Bebauung der „grünen Lunge“Küpersstieg liegen: Sie forderte das Wandsbeker Bauamt auf, die Unbewohnbarkeit und Unwirtschaftlichkeit der Siedlung zu bescheinigen, um auf dieser Grundlage einen Abrißantrag stellen zu können.

Doch den begehrten Freibrief zum Abbruch wird sie nicht bekommen. „Nur Mieter können einen Unbewohnbarkeitsantrag für einzelne Wohnungen stellen, um sich selber gegen Vermieter zu schützen, die ihren Instandset-zungspflichten nicht nachkommen“, macht Baudezernent Riedel klar. Das Ansinnen der Genossenschaft jedoch würde geltendes Recht auf den Kopf stellen.