Wer ist das Schönste im ganzen Land?

■ Das Neue Museum Weserburg, Bremen, und seine noch neuere Konkurrenz in Hamburg und Berlin: Ein Vergleich

Bis vor kurzem konnte sich das Neue Museum Weserburg in Bremen noch stolz als Deutschlands größtes Museum für zeitgenössische Kunst bezeichnen. Damit ist jetzt Schluß. Denn seit im November 1996 in Berlin der Hamburger Bahnhof als „Museum für Gegenwart“und bald darauf, Ende Februar 1997, in Hamburg der Erweiterungsbau der dortigen Kunsthalle als „Galerie der Gegenwart“eröffnet wurden, hat die Weserburg Konkurrenz bekommen. taz-Mitarbeiter Moritz Wecker hat sich auf den Weg gemacht und die Konzepte und die Kunstpräsentation der Weserburg mit den Museen in Hamburg und Berlin verglichen.

Die drei Häuser haben zwei Gemeinsamkeiten. So verdanken sowohl die Weserburg als auch die Galerie in Hamburg und das Museum in Berlin ihre Bestände der Gunst privater SammlerInnen. Gemeinsamen ist ihnen aber auch, daß die Architektur als wesentlicher Faktor der Kunstpräsentation in den Vordergrund gerückt ist und darüber in den Medien mehr diskutiert wurde und wird als über die Kunst selbst.

Während man sich beim Hamburger Bahnhof in Berlin weitgehend über einen gelungenen Umbau einig war, erhitzte der Neubau in Hamburg kontrovers die Gemüter. Einige beschimpften den von der äußeren Gestalt über die Fenster bis zur Ausstattung der Decken und Böden streng auf die Form des Quadrats beschränkten Hamburger Ungers-Bau als „Bunker“. Andere dagegen lobten die Klarheit als maßvolle Zurückhaltung gegenüber der gezeigten Kunst. Beides freilich scheint übertrieben. Denn der Bau des Kölners Oswald Mathias Ungers ist weder ein Bunker, noch hält er sich wirklich so zurück, wie es der Architekt meint, wenn er seine Architektur als „Passepartout für die Kunst“bezeichnet. Denn was im dritten Stock, bei der Präsentation der großformatigen, rechteckigen Gemälde der zeitgenössischen Künstlerfürsten Gerhard Richter, Georg Baselitz und Sigmar Polke funktioniert und auch bei den Pop-Artisten Warhol und Rauschenberg oder bei den Fotografen der Becher-Schule noch aufgeht, bildet bei Beuys, Kounellis, Boltanski und anderen einen störenden Kontrast. Deren sinnliche Materialität wirkt in der Kühle des Hamburger Baus einfach deplaziert. Hier gilt, was Ludwig Seyfarth in der Zeitschrift „Kunst & Kultur“schreibt: Daß die Architektur so perfekt ist, „daß es gar nicht möglich ist, gegen sie auszustellen“.

Ganz anders in Berlin. Hier kommen gerade die über das Visuelle hinausgehenden, fast haptischen Künstler wie Beuys oder Anselm Kiefer besonders stark zur Geltung. Außerdem wirken in Berlin aber auch Mario Merz, Warhol oder Rauschenberg optimal plaziert.

Bei genauerem Hinsehen werden die Gründe offenbar. In Berlin ist zunächst die Architektur viel weniger formstreng. Außerdem gehen die Exponate durch ihre Plazierung eine besonders gelungene Korrespondenz miteinander ein. Doch vor allem wird man als BesucherIn beim direkten Vergleich einiger KünstlerInnen das Gefühl nicht los, daß Berlin die erste und Hamburg nur die zweite Wahl abbekommen hat. Ob Richard Long oder Kounellis, Beuys oder Merz: Immer scheint von den jeweiligen Künstlern in Berlin das bessere Werk zu hängen oder zu stehen. Damit macht das Berliner Museum den vermeintlichen Nachteil, nur Werke aus einer einzigen Sammlung (der Sammlung Marx) zu zeigen, allemal wett.

Und Bremen? Bei der Präsentation hält man locker mit. Denn wie hier Christian Boltanski, Rolf Julius, Edward Kienholz oder Rebecca Horn durch die Architektur unterstützt werden, das sucht man in Hamburg eher vergebens. Und den Vorteil gegenüber Berlin, durch den Rückgriff auf verschiedene Sammlungen die Ausblendung ganzer Bereiche wesentlich entschärfen zu können, teilt Bremen mit Hamburg. Aber auch was die Qualität der einzelnen Exponate angeht, braucht sich die Weserburg nicht zu verstecken. Denn anders als der Hamburger Bahnhof in Berlin beherbergt das Neue Museum Weserburg auch weniger bekannte und abgesicherte Postitionen zeitgenössischer Kunst. Gerade das macht sie gegenüber ihren Mitbewerbern spannend. Nicht zuletzt deswegen darf man hoffen, daß die neuen Häuser in Berlin und Hamburg dazu führen, die alte Weisheit „Konkurrenz belebt das Geschäft“insofern zu bewahrheiten, als von den kunstliebhabenden Zeitgenossen möglichst viele sich nach dem Besuch der beiden „Gegenwartshäuser“in den Metropolen sagen werden: Aller guten Dinge sind drei. Denn in dieser Ergänzung liegt die Chance, über die Lückenhaftigkeit der jeweiligen Sammlungen hinweg einen Überblick zu vermitteln, wie ihn keines der drei Sammlermuseen alleine zuwege bringt.

Moritz Wecker