Männertreu und Annerose

Des Bürgermeisters Privates wird öffentlich: Ab heute gibt es die Voscherau-Homepage im Internet. Einen ersten Blick riskierte  ■ Ulrike Winkelmann

Was Bill und Hillary können, können Henning und Annerose allemal: „Der Erste Bürgermeister Henning Voscherau hat beschlossen, sich mit seinem Wohnsitz im Internet zu präsentieren“, erklärt Senatssyndicus Gert Hinnerk Behlmer, „um in der Bevölkerung ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zum politischen Oberhaupt der Stadt zu wecken.“

Nach dem Vorbild der World-Wide-Web-Seiten, auf denen das White House in Washington sowie Familie Clinton zu besuchen sind, kann jetzt von der bekannten www.hamburg.de-Homepage direkt nach Volksdorf geklickt werden, wo Voscheraus ein Reihenhaus bewohnen. „Baujahr 1973“, erklärt ein jovialer Bürgermeister in Hausschuhen qua Sprechblase, und mit dem nächsten Link geht's hinein in eine kleine Eßdiele mit Butzenscheiben und Makramee-Blumentopfhaltern ringsum.

Im Wohnzimmer will die Eichen-Schrankwand nicht so recht zur offenbar skandinavischen Sitzgruppe passen, doch „meine Frau mag sich von beidem nicht trennen“, verrät Voscherau im Untertitel. Die Farbgebung des Raumes, soweit am Bildschirm zu erkennen, ist am Baujahr des Hauses orientiert: orange, schoko und beige-khaki. Ganzer Stolz des Ehepaares ist die Panorama-Scheibe zum Garten, wo sich rings um den Goldfischteich in ebenmäßigen Streifen Zier- und Kräuterbeete abwechseln. „Nelken, Männertreu und der stolze Rittersporn“, zählt Annerose auf, sind die Lieblingsblumen ihres Mannes. Noch allerdings zieren, saisonal bedingt, kleine Krokusbüschel und früher Ginster den Terassensaum.

Mit seinem Vorstoß in die Netzkultur wollen Bürgermeisters mit dem, wie sie sagen, „urdeutschen und verkrusteten“Prinzip aufräumen, wonach das Privatleben von PolitikerInnen nichts in der Öffentlichkeit zu suchen habe. „Es geht nicht an, daß im Wahljahr von der Person Voscherau nichts anderes bekannt ist als sein Gesicht“, erläutert Staatsrat Behlmer. Abgesehen von den Skandal-Nudeln Oskar Lafontaine und Gerd Schröder erlaube einzig der Bundeskanzler Helmut Kohl den Medien einen Blick in seine Privatsphäre, wenn er sich etwa im Urlaub fotografieren lasse. Dies, das haben Trend- und Wahlforscher herausgefunden, fördert seine Popularität immens.

„Die Bevölkerung will sich mit der politischen Spitze identifizieren können“, so Behlmer. „Deshalb kann es interessanter sein, das Lieblingsgericht des Bürgermeisters zu erfahren als seine Meinung zur Drogenpolitik.“Stockfisch und schlesische Kutteln, weiß der Senats-Intimus, ißt Voscherau jenseits der Bankette im Kaisersaal des Rathauses am liebsten.

Da man jedoch nicht am laufenden Meter Kamerateams in Anneroses Einbauküche stehen haben wolle und auch sonst Sicherheits-Probleme fürchte, habe man sich entschlossen, die Vorteile des neuen Mediums Internet wahrzunehmen und Zugang zum Domizil nur virtuell zu gewähren. Zugegeben, „eine etwa klinische Lösung“, meint Behlmer. „Aber dann auch wieder modern, unternehmerisch und zukunftsweisend.“Wie der Bürgermeister eben.