Der Schwindel der Fakten

■ Filme der vietnamesischen Regisseurin Trinh T. Minh-ha im Metropolis

Ein Apfel ist ein Apfel ist ein Apfel ist ein und so weiter in der Deklination empirischer, individueller und erdachter Wahrheiten. Bis aus demselben etwas Gleiches wird, oder umgekehrt. Bis zum Taumel, „denn verschiedene Sichtweisen, die sich nicht vereinheitlichen lassen, erzeugen ein horizontales Schwindelgefühl“, sagt Trinh T. Minh- ha, der das Metropolis nun eine Werkschau widmet. Seit Anfang der 80er Jahre arbeitet und schreibt die Filmemacherin, Autorin, Feministin und Kulturkritikerin Trinh T. Minh-ha, um in das Konstrukt „Realität“einzugreifen, „Fakten“zu hinterfragen und sie als Fiktion ins Bewußtsein zu rufen. Die Dinge sollen nicht an ihrem Platz gelassen werden, das ist das Konzept der Vietnamesin, die in den 70er Jahren in die USA emigrierte. Bewußt erzeugt sie die horizontalen Schwindelgefühle und sprengt die Genres. Deshalb waren ihre ethnographisch-experimentellen, mit Wahrheit wie Fiktion gleichgewichtig operierenden Dokumentarfilme auch lange Zeit heimatlos. Deplaziert auf Dokumentarfilmfestivals, unerwünscht in den Foren des experimentellen Films.

Ihr erster Film Reassemblage (1982) entstand während ihrer dreijährigen Gastprofessur für Musik an der Universität in Dakar und handelt vom Dorfleben in Senegal, von der kritischen Auseinandersetzung mit dokumentarischer Wahrheit und dem ethnographischen Blick auf das „Andere“.

In Naked Spaces- Living Round (1985) suchte Minh-ha in verschiedenen Ländern Westafrikas nach Zusammenhängen zwischen Architektur, Leben und Arbeit. Begleitet und kommentiert wird der Film von drei Frauenstimmen aus dem Off: Die subjektive Stimme der Filmemacherin, die westlich-analytische und die afrikanische Stimme sollen hier den unterschiedlichen Zugang zur Realität verdeutlichen und das jeweils individuelle Empfinden von Identität thematisieren. In ihren beiden späteren Filmen Surname Viet Given Name Nam (1989) und Shoot For The Contents(1991) arbeitet sie auf andere Weise mit dem Kitzel der Ungewißheit zwischen Fakt und Fiktion. In beiden Filmen inszeniert sie Interviews – einmal mit Vietnamesinnen, dann mit Frauen, Künstlern und Künstlerinnen aus China. In den Gesprächen werden persönliche und nachgestellte Geschichten erzählt, die Minh-ha später als Wahrheiten inszeniert. „Meine Filme muß man wollen“, empfiehlt die Regisseurin, „wenn man sie sich unter Druck ansieht, kann ihre Erfahrung ziemlich irritierend und qualvoll sein.“

Eva Rink

„A Tale Of Love“, 1.4., 17 Uhr und 2.4., 19 Uhr/ „Reassemblage“, 8.4., 19 Uhr/ „Naked Spaces-Living Round“, 9.4., 19 Uhr. und 10.4., 17 Uhr/ „Surname Viet Given Name Nam“, 14.4., 19 Uhr und 16.4. 17 Uhr/ „Shoot For The Contents“, 21.4., 19 Uhr, und 22.4., 17 Uhr; Metropolis