Arbeiten nach dem Lustprinzip

■ Erfolgreiche Zwischenbilanz der Jobagentur „Maatwerk“: 260 SozialhilfeempfängerInnen fanden bereits einen neuen Job

Zwei Jahre ist es her, daß Tatjana Root mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern aus Kasachstan nach Hamburg gekommen ist. Ein sechsmonatiger Sprachkurs, vom Sozialamt finanziert, verhalf zu den ersten Deutschkenntnissen. Doch die Jobsuche fiel schwer – bis sie im vergangenen Herbst von einem Berater des Sozialamtes den entscheidenden Tip bekam: „Maatwerk – Arbeit nach Maß“, eine Vermittlungsagentur, die seit Februar 1996 in Hamburg arbeitet. Finanziert wird das Pilotprojekt von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS).

„Das Prinzip unserer Arbeitsvermittlung ist herauszufinden, in welchen Branchen die Arbeitssuchenden bereits gearbeitet haben, zu welchen Jobs sie aufgrund ihrer sozialen oder gesundheitlichen Situation fähig sind und wozu sie Lust haben“, erklärt Maatwerk-Mitarbeiter Jens Wittekind das Konzept nach niederländischem Vorbild.

Die Erfahrung nutzen

Da Tatjana Root in Kasachstan Lebensmittel verkauft hatte, suchte die Vermittlung für sie einen Job im Einzelhandel. Dafür ist „der Kontakt mit Arbeitgebern wichtig, um herauszufinden, was sie suchen“, sagt Wittekind. Sowieso sind etwa 70 Prozent der freiwerdenden Stellen in Hamburg nur über Kontakte erreichbar. Sie sind weder dem Arbeitsamt bekannt noch in Anzeigen zu finden, berichtet die BAGS.

Seit einer Woche verkauft Tatjana Root in einem Bäckereigeschäft im Neugrabener S-Bahnhof. Majid Pourmoussavi, ihr neuer Arbeitgeber, weiß die Arbeitsvermittlung von Maatwerk zu schätzen. Das Arbeitsamt hätte Leute geschickt, die „nur einen Stempel“gewollt hätten und nicht arbeiten wollten.

Lob von der Behörde

Das gleiche gelte für viele BewerberInnen, die sich auf einen Aushang am Laden gemeldet hätten. „Innerhalb von fünf Tagen haben hier sieben verschiedene Leute angefangen und aufgehört“, so Pourmoussavi. Frau Root will und kann länger bleiben.

Schon wenn sie drei Monate lang arbeitet, wäre ihre Vermittlung ein Gewinn für das Sozialamt. Die Behörde zahlt pro Jobfund viertausend Mark an Maatwerk. Geht man davon aus, daß die Vermittelten sonst Sozialhilfe bekommen hätten und daß die im Schnitt bei monatlich 1350 Mark liegt, ergeben sich für das Amt schon nach drei Monaten Berufstätigkeit Einsparungen.

Auch die gelernte Schneiderin Belinda Herzig wurde von Maatwerk vermittelt. Die alleinerziehende Mutter war seit mehr als zehn Jahren ohne festen Arbeitsplatz. Seit August '96 ist sie nun Objektleiterin einer Reinigungsfirma. Durch variable Arbeitszeit kann sie sich nebenbei um ihre Kinder kümmern. Wie viele BewerberInnen brauchte Herzig zuerst den Mut zum Neuanfang, berichtet Wittekind. Nur knapp die Hälfte von ihnen habe eine abgeschlossene Berufsausbildung, vierundvierzig Prozent seien ungelernt. Schulden, schwierige Familienverhältnisse, Krankheit, Langzeitarbeitslosig-keit oder schlechte Sprachkenntnisse sei-en häufig die Probleme vieler Arbeitssuchender.

Manchmal sind auch bürokratische Hürden zu nehmen. Der vierundzwanzigjährige Andrej Appel beispielsweise mußte zuerst einen deutschen Führerschein machen, weil sein kasachstanischer hier nicht anerkannt wurde. Maatwerk ging mit Appel zu Behörden und vermittelte ihm einen Job als Stapler. Erst hatte er nur einen befristeten Arbeitsvertrag, doch der wurde verlängert.

Der Erfolg der Agentur hat sich herumgesprochen. Das Harburger Sozialamt hat seit Februar vergangenen Jahres 1300 arbeitslose SozialhilfeempfängerInnen und Langzeitarbeitslose an die Agentur weitergeleitet. 900 davon kamen für eine Arbeitsvermittlung in Frage, 260 konnten „erfolgreich vermittelt“werden. Das bedeutet, daß sie mindestens sechs Monate lang auf dem freien Markt gearbeitet haben. Zweiundvierzig Prozent der Vermittelten seien zwischen 31 und 40 Jahre alt, resümiert die BAGS. Etwa sechzig Prozent sind Männer.

Bis zum Auslaufen des Projekts Ende Mai will Maatwerk 300 Jobs für SozialhilfeempfängerInnen gefunden haben. Wenn sie alle ihre Jobs behalten, könnte der Hamburger Sozialhilfeetat damit jährlich um fünf Millionen Mark entlastet werden. Ob und in welchen Bezirken nach dem Ende des Pilotprojekts ähnliche Vermittlungen starten sollen, will Senatorin Helgrit Fischer-Menzel im Sommer entscheiden. Maja Schuster