Bonn liegt im Sparfieber

■ Weitere Kürzungen? Politiker fordern Einschnitte bei der Sozialhilfe und - jetzt neu - eine Karenzwoche für Arbeitslose

Berlin (taz/AFP) – Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) will Sozialhilfeempfängern in die leeren Taschen greifen. Künftig sollen sie für Kleidung und Möbel jährlich eine Pauschale erhalten. Als Kleidergeld seien 570 Mark pro Jahr ausreichend, meint der Minister. Derzeit zahlen die einzelnen Städte ganz unterschiedliche Zuschüsse. In Stuttgart dürfen Frauen derzeit mit 790 Mark im Jahr als Kleidergeld rechnen, in Hannover sind es nur 427 Mark.

So neu sind Seehofers Pläne nicht. Bereits im Februar wurde seine Streichliste bekannt. Etateinsparungen von 250 Millionen Mark erhofft er sich. Rund 117 Millionen Mark sollen durch die Straffung der Sozialbürokratie hereinkommen, der weitaus größere Posten von 133 Millionen soll durch Kürzungen der Hilfegelder eingespart werden. Im Gespräch ist auch, Kindern von Sozialhilfeempfängern weniger zu zahlen. Sie erhalten derzeit je nach Alter zwischen 265 und 477 Mark. Das Arbeitspapier der Seehofer-Experten sieht auch Streichungen bei Leistungen für Schüler, Instandsetzung von Hausrat sowie Anschaffungen von Gebrauchsgütern vor. Seehofer sagte, den Grundbedarf werde er nicht antasten.

Einigen Koalitionsfreunden ist dies nicht genug. CSU-Generalsekretär Bernd Porzner verlangt, daß Sozialhilfeempfänger auch bei medizinischen Leistungen, etwa beim Zahnersatz, zuzahlen sollen. Und Friedhelm Ost, CDU-Vorsitzender des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, überlegt gar, Jugendlichen unter Umständen überhaupt keine Sozialhilfe zu gewähren: „Jugendliche, die in ihrem Traumberuf keinen Ausbildungsplatz finden, müssen flexibler sein und andere Lehrstellen annehmen.“ Gegebenenfalls müsse man sie mittels Streichung der Sozialhilfe zu „ihrem Glück zwingen“.

In der Regierungskoalition grassiert das Kürzungsfieber. Die Bild will von einem zweiten „Sparpaket“ erfahren haben. Es soll Kürzungen zwischen 20 und 25 Miliarden Mark vorsehen. Der Bericht wurde nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Das Blatt berichtet von der Überlegung, Arbeitslosen eine Karenzwoche zu verordnen, in denen sie kein Arbeitslosengeld erhalten sollen. Dieses soll auf ein Jahr beschränkt werden, bislang wurde es bis zu 32 Monate gezahlt. Ferner soll die seit 1. März gültige Erhöhung der Beamtenbezüge bis zur Besoldungsgruppe A 16 erst im Mai nachgezahlt werden. Durch diese Einmalzahlung erhöht sich die Steuerprogression – ein Reingewinn für Finanzminister Theo Waigel (CSU). Das Finanzministerium teilte lediglich mit, Waigel habe seinen Konsolidierungskurs mehrfach unterstrichen. roga