Front gegen Le Pens „Front“

■ Die größte Demonstration seit Kriegsende in Straßburg stiehlt der Front National bei ihrem Parteitag die Schau. Le Pen will ein Netzwerk rechtsextremer Parteien gründen

Straßburg (taz) – Viel Feind, viel Ehr. Diese alte Kriegerdevise hat sich der Chef der französischen Rechtsextremen, Jean- Marie Le Pen, stets zu eigen gemacht. Am Wochenende in Straßburg jedoch, wo die Front National ihren dreitägigen 10. Parteikongreß abhielt, waren es der Feinde zu viele: Die Forderungen der 2.200 Delegierten nach Staatsangehörigkeit auf Probe, „nationaler Präferenz“, Rückführung von Immigranten und der Abschaffung des Antirassismusgesetzes verhallten angesichts von weit über 50.000 Menschen aus ganz Frankreich und den Nachbarländern, die gegen die Rechtsextremen demonstrierten. Die Proteste dauerten bis gestern an, als Straßburg einen „Tag der toten Stadt“ durchführte, einen Tag ohne kulturelle Veranstaltungen und Demonstrationen, der vor Augen führen sollte, was Frankreich von einer Machtübernahme Le Pens zu erwarten hätte.

Vier Kongreßteilnehmer waren noch in Polizeihaft, als Parteichef Le Pen gestern seine Abschlußrede hielt. Ihnen wird vorgeworfen, am Ende der Demonstration vom Samstag Antirassisten verfolgt und verprügelt zu haben. Offenbar war die strikte Anweisung der Parteiführung, das Kongreßzentrum nicht zu verlassen, nicht von allen Delegierten befolgt worden.

Mehrere Dutzend Festnahmen gab es auch auf der anderen Seite. Nach Abschluß der Demonstration schlugen ein paar Vermummte Schaufenster ein. Le Pen, der vorab die Demonstration als „Veranstaltung von Gaunern“ diffamiert hatte, erklärte vor den Delegierten: „Wir werden im Rhythmus der Trommelschläge unserer Gegner an die Macht gehen.“ Es war ein Kongreß, der die Front National triumphal auf ihre künftige Rolle in Frankreich vorbereiten sollte. Minutenlang skandierten die Delegierten: „Le Pen – President“. Der Gründer und einstimmig wiedergewählte Präsident der Partei war unumstrittener Führer und Hauptredner der Veranstaltung. Als ein Ziel propagierte Le Pen, dessen Front National selbst von den rechtsextremen Organisationen der Nachbarländer geschnitten wird, die Gründung einer nationalistischen Internationale mit dem Titel „Euronat“.

Dorothea Hahn Reportage Seite 11