Soundcheck - Gehört: Faithess

Gehört: Faithless. Österliche Monumentalfilme sind feige: Sie scheuen sich, das Angesicht des HErrn in Szene zu setzen. Faithless sind mutig. Bei Faithless steht GOtt noch einmal in der Mitte des Universums: Die Inszenierung von „Insomnia“– dem Radiosuperdauerbrennerhit der letzten Monate – beginnt im Dunkel. Und aus der Nacht kommt ein sonnenroter Spot und er bringt das Keyboard zum Strahlen und GOttes Hand intoniert den erlösenden Dreiklang. GOtt ist groß, vor allem der Fähigkeit zur Ironie willen. Es dürfte klar sein, daß „Insomnia“s hookline nicht gerade einen Höhepunkt an Interessantheit darstellt. Diese Zelebrierung des Simpeltechno überführt den Geniekult endgültig in die Lächerlichkeit.

Sehr schön ist auch der Umgang mit dem Publikum, einem Querschnitt der Radio Energy-Hörer. Sobald der Saal qua smash-hit in delirierendes Zucken befördert ist, verabschiedet sich die Elektronik mit einem tottraurigen Knack und Pauline Taylor versenkt sich, nur von einer Tracy Chapman-Akustikgitarre begleitet, in eine intime kleine Soul-Ballade. Bevor sich jemand von diesem Bruch erholen kann, setzen Faithless ihren Raubzug durch die Schatzkammern der westlichen Popkulturen fort.

Es ist ein Irrglaube, daß GOtt ein DJ sei. GOtt/GOd ist vielmehr der „Große Orale Disseminator“, und Maxi Jazz ist sein Prophet. Getrieben von einem puckernden Baß, getragen von einem drängenden Megaphon wirft er sich in die Pose des brennenden Propagandisten seiner Obsessionen. Der ästhetische Genuß organisiert sich nicht mehr über die Echtheit der Leidenschaft, sondern über die Exaktheit der Imitation. Und in der Souveränität der Umarbeitung des legendären und düsteren „Reverence“-Albums in ein schillerndes Etwas zwischen hektischem Hip Hop und glitzerndem Soul. „Eat you like a cannibal“kann ja so funky klingen. Matthias Anton