Wachsende Bedrohung

■ UNO beklagt unverhohlene Mißachtung der Flüchtlingskonvention

Genf (taz) – Die UNO-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Sadako Ogata, sieht das Recht auf Asyl und Schutz vor Verfolgung weltweit einer „wachsenden Bedrohung“ und Erosion ausgesetzt. Immer mehr Staaten verletzten dieses in der UNO-Flüchtlingskonvention von 1951 verankerte Recht durch unverhohlene Zutrittsverweigerungen an ihren Grenzen oder durch die „subtilen Veränderungen von Gesetzen“, erklärte Ogata gestern vor der UNO-Menschenrechtskommission in Genf.

Flüchtlinge, die diese Hürden dennoch überwinden könnten und Aufnahme in einem anderen Land fänden, seien zunehmend gefährdet durch „tödliche Attacken“ auf ihre Unterkünfte. Vor allem Frauen und Kinder würden immer häufiger Opfer von Übergriffen und sexueller Gewalt. Mit Blick auf die Lage in Ruanda und Zaire monierte die Hochkommissarin, daß Insassen von Flüchtlingslagern – darunter auch Kinder – von den Konfliktparteien zwangsrekrutiert werden. Ogata beklagte, das in der UNO-Konvention vereinbarte Prinzip der „freiwilligen Rückkehr“ von Flüchtlingen werde „zunehmend unterminiert durch Zwangsrückschaffungen in Heimatländer, in denen keine sicheren Lebensbedingungen herrschen“.

Diese Kritik der Hochkommissarin richtete sich auch gegen die Zwangsrückführung bosnischer Flüchtlinge aus Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten. Bosnien ist für Ogata ein Beispiel für den Verstoß gegen das in der UNO-Konvention verankerte Recht auf die Rückkehr von Flüchtlingen in ihr Heimatland. Das Dayton-Abkommen vom Dezember 1995 enthalte zu dieser Frage zwar „viele exemplarische Bestimmungen“. Deren Umsetzung scheitere aber an „unakzeptabler politischer Obstruktion“ verschiedener Seiten in Bosnien sowie an fehlendem politischen und finanziellen Engagement der internationalen Gemeinschaft.

Seit Verabschiedung der UNO- Flüchtlingskonvention 1951 stieg die Zahl der Flüchtlinge, die unter das damals formulierte Mandat des UNO-Hochkommissariats fallen, von 1,5 auf 13,2 Millionen im Jahre 1996. Zusätzlich betreut das UNO-Hochkommissariat derzeit 3,1 Millionen Rückkehrer sowie 9,4 Millionen innerhalb ihres Heimatlandes Vertriebene – insgesamt also rund 26 Millionen Menschen. Darüber hinaus gab es nach UNHCR-Schätzungen 1996 weitere rund 20 Millionen intern vertriebene Menschen, für deren Betreuung die finanziellen Mittel der UNO-Organisation nicht ausreichen. Andreas Zumach