Börse bricht völlig ohne Crash ein

An der Wall Street stürzte der amerikanische Aktienindex Dow Jones um sieben Prozent ab und hat den deutschen Dax mit herabgezogen. Die Kursbereinigung war nötig, sagen Börsianer  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – An einen schlechten Aprilscherz mögen manche Anleger gestern geglaubt haben. Der Deutsche Aktien-Index (Dax) purzelte am Tag nach Ostern um 133,1 Punkte oder 3,88 Prozent auf 3.295,93 Zähler.

Auslöser war der Einbruch des Dow-Jones-Index an der New Yorker Wall Street. Als Broker hierzulande noch Ostermontag feierten, waren die Kurse der 30 wichtigsten US-amerianischen Industrieaktien bereits um 157,11 Punkte gefallen. Damit lag der Dow noch einmal 2,33 Prozent niedriger als am Gründonnerstag. Da war er ebenfalls gefallen – um 140 Punkte. Im Verhältnis zum Höchststand am 11. März büßte der Dow Jones damit in den vergangenen Tagen sieben Prozent ein – der höchste Verlust seit dem großen Crash vor zehn Jahren.

Ostern 1997 wird jedoch nicht als Crashwochenende in die Börsengeschichte eingehen. Es handle sich vielmehr um eine „erwartete Kursbereinigung“, sagte eine Börsenexpertin der Commerzbank in Frankfurt. Nachdem der Dow Jones seit der Pause während des Golfkriegs von Höchststand zu Höchststand geklettert war, mußte ein Einbruch erfolgen, damit sich die Börse nicht überhitzt. „Relativ gesehen war die Schwankung nicht sonderlich hoch“, sagt die Commerzbank-Sprecherin. Im Laufe des Montags war der Dow während des Handels noch unter seinen Schlußwert gefallen. Da die Aktien gerade so schön günstig waren, kauften Broker wieder und trieben den Index zum Schluß noch einmal hoch.

Über die Ursachen des Einbruchs an der New Yorker Börse waren sich die Analysten verhältnismäßig einig: Die gestiegenen US-Leitzinsen seien schuld. Am Dienstag vergangener Woche hatte die amerikanische Zentralbank erstmals seit zwei Jahren die Zinsen angehoben, um eine dräuende Inflation einzudämmen. Damit lohnt es sich für die Amerikaner wieder, ihr Geld in Anleihen anzulegen. Anscheinend haben viele zudem ihr Geld von der Börse abgezogen, um noch schnell vor der drohenden nächsten Zinsanhebung verhältnismäßig günstige Langzeitkredite für den Hausbau aufzunehmen.

Anleger befürchten nämlich, daß Bundesbanker Alan Greenspan schon in den nächsten Monaten durch weitere Zinsanhebungen die Inflation zu stoppen versucht. Im Februar ist das Einkommen der Amerikaner nämlich um 0,8 Prozent gestiegen. Allerdings haben sie bislang nur einen Bruchteil mehr ausgegeben als sonst.

Die florierende amerikanische Wirtschaft hat die Aktienanleger verunsichert. Die Arbeitslosenzahlen sinken beständig, und einige Industriezweige sollen schon zu 95 Prozent ausgelastet sein. Wenn die Arbeitskräfte deswegen knapp werden und die Unternehmen höhere Löhne zahlen müssen, dann treibt das nicht nur die Inflation hoch. Es wirkt sich auch negativ auf die Unternehmensgewinne aus, so daß die Aktien an Attraktivität verlieren.

Da die wichtigsten weltweiten Aktien- und Kapitalmärkte einander bedingen wie Ebbe und Flut und die Anleger nun offenbar das Vertrauen in die bislang boomenden Börsen verlieren, sackte gestern auch der Dax um knapp vier Prozent ab. Aber schon der M-Dax, in dem die 70 weniger wichtigen Aktien an der Frankfurter Börse zusammengefaßt sind, fiel nur um 1,7 Prozent.