Ein Herz für Gerhard Schröder

■ In der Springer-Presse plädieren Gewerkschafter für einen Kanzlerkandidaten Schröder. Gewerkschaften zurückhaltend

Hannover (taz) – Ihre Aktion „Wir wollen Schröder als Kanzlerkandidaten“ haben die Massenblätter des Springer-Verlags zur nachrichtenarmen Osterzeit wieder aufleben lassen. In der Bild verlangte der SPD-Bundestagsabgeordnete und IG-Chemie-Ehrenvorsitzende, Hermann Rappe, vom SPD-Präsidium, sich noch vor dem Sommer auf Schröder als SPD-Kanzlerkandidaten festzulegen. Rappe bezeichnete seinen SPD-Landesvorsitzenden als einzigen Sozialdemokraten, der Kohl in einem Bundestagswahlkampf bezwingen könne. Die Bild am Sonntag hatte schon für ihre Osterausgabe drei Gewerkschafter ausfindig gemacht, die für Gerhard Schröder als SPD-Kandidaten plädierten. Die DGB-Chefs von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, Fritz Schösser und Peter Deutschland, attestierten Schröder die besten Chancen, einen Machtwechsel in Bonn herbeizuführen. Der stellvertretende DAG-Landeschef von Niedersachsen/Bremen, Gerhard Klein, sah bei einem Kanzlerkandidaten Schröder verbesserte SPD- Wahlchancen „in Schichten der Bevölkerung, die der Partei nicht nahestehen“.

Bereits zum Auftakt des Sommelochs 1996 hatte Bild am Sonntag vier SPD-Bundestagsabgeordnete ein Bekenntnis zum Kandidaten Schröder abgefordert. So wie damals die Abgeordneten nicht für ihre Bundestagsfraktion sprachen, so geben auch die jetzt zitierten vier Gewerkschafter nicht die Meinung ihrer Gesamtorganisationen wieder. So erklärte etwa gestern ein Sprecher der IG Chemie, Hermann Rappe habe als SPD-Abgeordneter und nicht in seiner Eigenschaft als IG-Chemie- Ehrenvorsitzender gesprochen. „Die IG Chemie äußert sich nicht zur Frage der SPD-Kanzlerkandidatur“, sagte der Gewerkschaftssprecher. Von einer Parteiangelegenheit, „die die SPD in Ruhe ausmachen kann“, sprach gestern auch ein Sprecher des DGB-Bundesvorstandes. Ein Sprecher der Hamburger DAG-Zentrale bezeichnete die Äußerungen des niedersächsischen DAG-Landeschefs als „persönliche Meinungsäußerung mit deutlich regionalem Bezug“. Selbst Schröders Regierungssprecher warnte gestern vor einer Debatte „zu diesem völlig falschen Zeitpunkt“. Über die SPD-Kanzlerkandidatur werde im Frühjahr 1998 nach der niedersächsischen Landtagswahl entschieden. Diese Wahl gelte es zunächst zu gewinnen. Bei einem SPD-Verlust in Niedersachsen von zwei Prozentpunkten seien aber alle Spekulationen über weitere Ambitionen des Ministerpräsidenten hinfällig. Jürgen Voges