Arbeitslose so billig wie noch nie zu haben

■ Seit gestern ist das neue Arbeitsförderungsgesetz in Kraft. Stärkere Kontrollen und niedrigere Einstiegslöhne. CDU-Arbeitnehmer fordern Lohnsubventionen

Bonn (taz/ap) – Seit gestern geht es Arbeitslosen deutlich schlechter: Das neue Arbeitsförderungsgesetz (AFRG) ist gültig. Abfindungen verringern künftig das Arbeitslosengeld eine zeitlang um die Hälfte. Dies wird sich besonders für ältere Arbeitnehmer auswirken, die aus der Firma entlassen wurden.

Demnächst dürfen Arbeitsämter die Arbeitsbereitschaft prüfen – mittels sogenannter Trainingsmaßnahmen. Auch müssen Arbeitslose schneller als bisher schlechtere Stellenangebote akzeptieren, wenn sie ihre Unterstützung nicht gefährden wollen. Das AFRG war gegen den Willen des SPD-dominierten Bundesrates mit der „Kanzlermehrheit“ im Bundestag verabschiedet worden.

Kritik übte gestern Ursula Engelen-Kefer, die Vize-Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Es sei beleibe nicht so, daß Arbeitsplätze ungenügend angenommen würden. Vielmehr stünden sie gar nicht zur Verfügung. Aus den Reihen der Bonner SPD lautete der lakonische Kommentar: „Faules Osterei“.

Josef Siegers, der Vorstandsvorsitzende der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, verteidigte das neue Werk. Das Gesetz enthalte „eine ganze Reihe von konstruktiven Ansätzen, die geeignet sind, gegen die Arbeitslosigkeit im Einzelfall erfolgreich anzugehen“. Künftig müssen sich Arbeitslose alle drei Monate beim Amt arbeitslos melden, um die Leistungen zu erhalten. Eine neue Stelle wird auch dann als zumutbar angesehen, wenn die Bezahlung 20 Prozent unter dem letzten Lohn liegt; nach drei Monaten Arbeitslosigkeit müssen schon Einbußen von 30 Prozent hingenommen werden.

Was seit gestern für Arbeitslose gilt, soll demnächst Standard werden, so jedenfalls der Wille der Industrie. Dieter Hundt, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, wiederholte seine Forderung, bei Neueinstellungen Einstiegslöhne von 25 bis 30 Prozent unter Tarif zu zahlen. Derartige Vorschläge findet Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) unsäglich. Hundt rede nur von dem, „was andere tun, andere bezahlen oder worauf andere verzichten sollen“. Ein Wort von Hundt zur Rolle der Unternehmen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit hätte „gutgetan“, meinte Blüm.

Die Mitglieder der CDU-Arbeitnehmerschaft (CDA) forderten, die Reallöhne zu senken und Niedriglöhne durch den Staat zu subventionieren. Ihr stellvertretender Vorsitzender, Hermann- Josef Arentz, verlangte „mutige Schritte“, um Investitionen anzukurbeln. Ohne eine Absenkung der Löhne könnten Arbeitsplätze nicht erhalten werden.

Tatsache allerdings ist: Seit gestern ist es für Unternehmen so billig wie nie zuvor, Arbeitslose einzustellen. roga