UN: Iran amputiert Menschenrechte

■ Neuer Bericht des Sonderbeauftragten verzeichnet Verdoppelung der Hinrichtungen im vergangenen Jahr

Berlin/Genf (taz) – Wer foltert und mordet, läßt sich dabei nicht gerne zuschauen. Der UN-Sonderbeauftragte für die Menschenrechtslage im Iran, Maurice Copithorne, hat deshalb in der Islamischen Republik Einreiseverbot. Trotzdem legte der Kanadier gestern der UN-Menschenrechtskommission in Genf seinen neuesten Bericht vor. Fazit: Teherans Theokraten scheren sich noch weniger um die fundamentalen Rechte aller Menschen als bisher – so hat sich 1996 die Zahl der Hinrichtungen im Vergleich zum Vorjahr wahrscheinlich verdoppelt. In vielen Fällen seien die Urteile wegen angeblichen Drogenhandels gefällt worden, in letzter Zeit aber auch wegen des Vorwurfs der Spionage. Steinigungen und Amputationen gehörten, so Copithorne, zu den gängigen Strafen. Zahlen nennt er nicht. Bisher haben die iranischen Behörden auf seine Anfragen nach offiziellen Statistiken nicht geantwortet. Ähnliches gilt für Fragen nach politischen Gefangenen, denn nach offizieller iranischer Darstellung sitzen in den Gefängnissen des Landes ausschließlich Kriminelle.

Als solche gelten auch Schriftsteller und Intellektuelle, die an den Verhältnissen im Land etwas auszusetzen haben. „Die Zahl von Disziplinarmaßnahmen gegen Zeitschriften, Magazine, ihre Redakteure und Herausgeber hat zugenommen“, schreibt Copithorne. „Mindestens fünf Zeitungen“ seien 1996 geschlossen worden. Als Beispiel für die Unterdrückung Intellektueller nennt Copithorne den Fall des inhaftierten Chefredakteurs der Zeitschrift Adineh, Faradsch Sarkuhi.

Doch der Zorn der Theokraten trifft nicht nur weltlich gesinnte Iraner. Auch Mullahs werden verfolgt. So berichtet Copithorne von 17 inhaftierten Klerikern, allesamt Anhänger des von Irans Führung geächteten Großajatollah Schirasi. Nach Informationen Copithornes richtet sich die Repression auch gegen Anhänger anderer Religionen als des schiitischen Islam – der iranischen Staatsreligion. Besonders fatal sei die Lage der Bahai. Weil die Anhänger dieser Religion der iranischen Führung als vom „rechten Glauben abgefallen“ gelten, werden sie systematisch diskriminiert. Zwölf Bahai sitzen wegen ihres Glaubens im Gefängnis. Im Februar bestätigte der Oberste Gerichtshof zwei Todesurteile gegen Bahai.

Einen Absatz sind dem UN-Beauftragten „Extrajuristische Gruppen“ wert. Gemeint sind die Ansar-e Hisbollah – Schlägertrupps, die Buchläden abfackeln und westlich gekleidete Jugendliche überfallen. Copithorne nennt sie „semiprivate“ Gruppen, die teilweise von Klerikern zu ihren Taten aufgefordert würden.

Nur einmal durfte Copithorne bisher iranischen Boden betreten: im Frühjahr 1996. Damals hieß es in Teheran, man werde die weitere Zusammenarbeit mit dem UN-Gesandten von dessen anschließendem Bericht abhängig machen. Obwohl der damals eher moderat formuliert war, ist Copithorne seither der Zugang zu seinem Berichtsgebiet versperrt – wie allen internationalen Menschenrechtlern.

So wird wohl auch der Wunsch der Familie Zalzadeh nach einem Besuch von amnesty international oder unabhängigen Ärzten keinen Erfolg haben. Am Sonntag erfuhr die Familie von den iranischen Behörden, daß der Regimekritiker Ebrahim Zalzadeh tot ist. Angeblich wurde er Opfer eines Überfalls. Die Familie glaubt an einen politischen Mord des Geheimdienstes. Dieses sollen unabhängige Beobachter überprüfen. Doch ihnen wird wohl nur die Ferndiagnose bleiben. Thomas Dreger Bericht Seite 9