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GastkommentarEin Flop reicht

■ Viertel-Ortsamtsleiter Robert Bücking über das Desaster am Bahnhofsvorplatz

An dieser Stelle hat unser Bausenator erklärt, die Absage von Bilfinger und Berger am Bahnhofsvorplatz zu bauen, sei kein Rückschlag für die Hansestadt. Was zum Teufel ist diese Absage denn sonst? Hat Bremen nicht geglaubt, dem Investor jeden Wunsch von den Lippen ablesen zu müssen? Wurde wegen der Bedeutung der Investition nicht auf jeden städtebaulichen Anspruch verzichtet? Hat die CDU nicht die „Doppel-T-Kreuzung“gefressen, weil sie nicht als Investitionsverhinderer dastehen wollte? Hat Bremen nicht das Geld schon ausgegeben, das aus dem Grundstücksverkauf erlöst werden sollte? Wurde das Modell vom Bahnhofsvorplatz nicht eine Ikone, ein Symbol für die große Anstrengung zur Sanierung der Stadt?

Befassen wir uns mit den Tatsachen: 1. Die Bremer Innenstadt ist zur Zeit keine Adresse für großes Immobilienkapital. Die Investoren gehen auf Nummer Sicher. Schlimmer noch, sie erwarten auch in Zukunft keine Besserung. Vorratspolitik in 1A-Lagen scheint in Bremen uninteressant. Das Grundstück am Bahnhofsvorplatz ist eines der besten, das die Bremer Innenstadt zu bieten hat. Wenn es hier nichts wird, wie mau muß die Lage erst an den anderen Standorten sein? Über den Preis wurde am Schluß nicht einmal mehr verhandelt. Bilfinger und Berger wollten den Bauplatz nicht. Auch nicht geschenkt. 2. Ein Blick in die Innenstadtkonzepte von Handelskammer, Wirtschaft und Bausenator illustriert das Desaster: Um 70.000 qm soll die Einzelhandelsfläche in der City erweitert werden. Mit dieser Fläche sollte die Innenstadt ihre einstige Stellung zurückgewinnen (am Bahnhof ging es um 15.000 qm Einzelhandel.) Daraus wird unter den augenblicklichen Bedingungen nichts werden.

Das Passagensystem zwischen Obernstraße und Domshof wird auf einige Zeit die letzte Anstrengung bleiben, die Einzelhandelsflächen in der Innenstadt auszudehnen. (Und das scheint nur möglich, weil große Banken in den Immoblien ihren Sitz haben und deshalb die Mieten quersubventionieren und den Mix der Geschäfte steuern.)

Stattdessen expandieren die großen Einkaufszentren und Fachmärkte am Stadtrand und im niedersächsischen Umland. Neue Zentren von der Dimension des Weserparks sind Planung. Die Innenstadt verliert in diesem Wettrennen ständig an Kunden und Bedeutung. Die Investoren können die Rathäuser nach Belieben gegeneinander ausspielen. Das Raumordnungssystem ist ohne politische Rückendeckung nichts als ein Hobby für teure Planer. 3. Soll Bremen den Platz auch ohne Investor neu ordnen? Das Konzept für den Bahnhofsvorplatz ist mehr als die Ausweisung eines Grundstücks und ein bißchen neues Pflaster. Im Kern geht es um die zentrale Drehscheibe des ÖPNV und des Regionalverkehrs. Und um ein wichtiges Stück Städtebau. Viele Interessen sind berührt. Wie immer ist der politische Wille zur Umsetzung der fertigen Planung brüchig. Bekanntlich ist der ÖPNV nicht das Feld, auf dem sich die CDU profilieren will. Die städtebaulichen Fragen lösen in der Bremer Politik ohnehin keine Leidenschaften aus. Der Wirtschaftssenator wird die Gelegenheit nicht auslassen, den Bausenator in der Finanzierungsfrage vorzuführen. Die Bundesbahn macht keinen Druck und mußte bis jetzt selber zum Jagen getragen werden.

Mit anderen Worten, die Bremer Politik hat beste Voraussetzungen, sich zum Schaden der Stadt weiter mit sich selbst zu beschäftigen. Es wäre doch gelacht, wenn sich die Lage nicht noch verschlechtern ließe. Es ist absehbar, daß eine Neubeplanung des Platzes die Sache auf den St.-Nimmerleinstag verschiebt. Das Puzzle aus technischen, ökonomischen und politischen Interessen wird so schnell keiner wieder zu einer abgestimmten Planung zusammenbringen. Und ohne Platzgestaltung und Neuordnung des Verkehrs wird auch mit einem Nachfolge-Investor nichts. Die Infrastruktur, die dort gebaut wird, wird gebraucht. Nicht erst wenn das große Wachstum gelingt, sondern schon jetzt.

Robert Bücking

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