Black Community auf der Anklagebank

Schwarzer Deutscher verurteilt, der Trauermarsch für Flüchtling anmeldete  ■ Von Elke Spanner

Alle ZuschauerInnen müssen ihre Kopfbedeckungen und damit Teile ihrer landeseigenen afrikanischen Trachten ablegen. Dann fliegt der Vater des Angeklagten ohne Vorwarnung raus, weil er dazwischengerufen hat. Noch ehe das erste Wort zur Sache gefallen ist, ist die Stimmung aufgeheizt.

Die spätere Verurteilung erscheint da nur noch konsequent: Eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen, so das gestrige Urteil des Amtsrichters Harm Beyer, muß Alexander Ngnoubamdjum zahlen, weil er im Juni 1996 den Trauermarsch für einen verunglückten Flüchtling aus Sierra Leone angemeldet hat: Die Demonstranten gingen damals nicht, wie angekündigt, um den Hauptbahnhof herum, sondern direkt durch die Wandelhalle. Außerdem soll der Schwarze Deutsche dazu aufgefordert haben, den Bannkreis rund ums Rathaus zu stürmen. Zudem wird ihm üble Nachrede gegenüber der Polizei vorgeworfen.

Anlaß der Demonstration im vergangenen Jahr war der Tod eines Flüchtlings aus Sierra Leone gewesen: Am 6. Juni 1996 klopft es an der Tür der Kabine Nr. 313 in der schwimmenden Flüchtlingsunterkunft im Ziegelwiesenkanal in Harburg. Vor der Tür steht der Verwalter des Wohnschiffs. Doch der 16jährige Flüchtling Jude Abubakar nimmt offenbar an, es sei eine Polizeikontrolle und stürzt sich aus dem Fenster in die Elbe. Jede Hilfe kommt zu spät: Als eine halbe Stunde später Taucher erscheinen, ist der Mann aus Sierra Leone tot.

Knapp eine Woche später organisieren afrikanische Organisationen zusammen mit den Flüchtlingen vom Wohnschiff den „Trauermarsch“durch die Hamburger Innenstadt. Der Zug sollte vom Hauptbahnhof über die Mönckebergstraße zum Dammtorbahnhof führen. Daß die Abkürzung quer durch die Wandelhalle genommen wurde, wurde Ngnoubamdjum nun zum Verhängnis. Gleich zu Beginn des Marsches war er bei dem Kontaktpolizisten Wolfgang B. in Un-gnade gefallen, nachdem dieser über einen Satz im Redebeitrag von Ngnoubamdjum gestolpert sein will: Die Polizei hätte dem Verunglückten selbst die bei ihm gefundenen Drogen untergeschoben und ihm keine erste Hilfe geleistet. Das brachte Ngnoubamdjum die Verurteilung wegen übler Nachrede ein. Zudem will der Polizist gehört haben, wie Ngnoubamdjum die TeilnehmerInnen per Megaphon ermunterte, zum Rathaus und damit in den Bannkreis zu gehen.

„Wir sitzen alle auf der Anklagebank“, sprach Ngnoubamdjum zu Beginn der Verhandlung für die Black Community in Hamburg. Die Schwarze Bewegung werde durch den Prozeß kriminalisiert. Zur Bekräftigung erhoben sich die ZuschauerInnen zu einer Selbstbezichtigung nach dem Motto „auch ich war dabei“. Richter Beyer konnte sich nach dem Urteilsspruch den Satz nicht verkneifen: „Dies ist kein politischer Prozeß.“Da der Verurteilte dies anders sieht, erwägt er, gegen das Urteil in die Berufung zu gehen.