Durchs Dröhnland
: Bubblegum-Pop meets die Göteborger Oper

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Amerika liebt sie, seine Monstermainstreamrocker. Und weil sich Eddie Vedder und seine Perlenmarmelade der umfassenden Umarmung zu entziehen versuchen, sind halt dafür Live erkoren worden. Bei den vier Jungs aus Pennsylvania garantiert schon der Bandname, daß hier ehrliche Arbeit abgeliefert wird. Kein Glamour, keine Poppereien oder gar Tanzversuche, statt dessen grölende Gitarren, kontrastiert mit gefühligen Intros. Für gute alte Rockschaffe am Mikrophon sorgt ein Herr Kowalczyk, und 18 Monate war man fast ohne Pause auf Tour. Danach wurde man von der gesitteten Leserschaft des Rolling Stone zur Lieblingsband erwählt. Drei Jahre hat es für die neue Platte „Secret Samadhi“ gebraucht und die beginnt programmatisch mit den Zeilen „Lets go hang out in a mall“: Live sind also Jungs, die in einem anderen Leben am Wochenende im Einkaufszentrum abhängen würden. Wird sich kaum jemand finden, der das bestreiten möchte. Zufällig sind sie halt Rockstars geworden. Es lebe Amerika, es lebe die Demokratie.

4.4., 20 Uhr, Huxley's Neue Welt, Hasenheide 108–114, Neukölln

Früher einmal hießen sie 7 Tage drüber und machten Schlager, die sie durch den Fleischwolf drehten. Als Die Biestels beschränkt sich das Kreuzberger Quintett auf den Fleischwolf, du darfst auch Punkrock dazu sagen, und kotzen über ihre ehemaligen Liebhaber ab. Die Sängerin mit dem hübschen Alias Becksda Nongeld kiekst und röhrt dabei wie Nina Hagen zu Rangehn-Zeiten.

Mit Libido und Reverend Kraut, 4.4., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg

Daß das bayerische Örtchen Weilheim ein gutes Pflaster für Gitarrenkram ist, weiß man, seit The Notwist von daher kamen. Und auch Slut haben ihre Dinosaur Jr. gehört und wissen, wie man fröhlich daherzupft, ohne gleich allzu eingängig zu werden. Dann schwebt der Sound wieder, bauen sich kleine Spannungsbögen auf und fallen kurz darauf zusammen. Ein bißchen krude, ein bißchen verquer, sich der eigenen Töne irgendwie nicht ganz sicher, so daß man natürlich auch an Pavement denken muß. Ihren Namen wählten sie sich, weil er so kurz und prägnant war, aber frauenfeindlich soll die Schlampe nicht sein.

5.4., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Str. 68, Mitte

Hervorgegangen waren CPS aus diversen Kreuzberger Hardrock- und Punkkapellen, aber seit nun schon vier Jahren sind sie eine der wenigen ernstzunehmenden Berliner HipHop-Crews. Hatten sie zu Beginn noch arg an ihrer Vergangenheit zu tragen und mußten erst mal ihre Gitarrenaffinität verarbeiten, haben sie sich in letzter Zeit vermehrt dem Jazz zugewandt, dem sie sogar eine ebenso betitelte Maxi widmeten. Trotzdem bleibt weiterhin kein Stil vor ihnen sicher, sind Heavy- Metal-Gitarren ebenso möglich wie zackige Funk-Bässe oder ein zurückgelehnter Reggae-Groove. Live stehen alle Türen weit offen, weil eine komplette Bandbesetzung mit drei Rappern und einem DJ konkurriert. Wenn sie das Beste aus beiden Welten zusammenfügen, ist die Party perfekt.

Mit Jud, 5.4., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Der Schwede an sich scheint ein sehr praktisch veranlagter Mensch zu sein. Anstatt sich den Kopf zu zerbrechen, mit welchen Neuerungen man die Musikwelt beglücken könnte, sucht er sich einfach das ansprechendste aus, liefert eine knallbunte Bubblegum-Variante desselben ab und stürmt damit die Charts. Wish haben sich den Britpop erkoren und tun einfach so, als wäre das allein Wohlfühlmusik. Zwar dürfen da schon mal die Streicher der Göteborger Oper schwer schwermütig dahergeigen, aber solch ein Ausflug in die verwirrend beatleske Kunstpopwelt wird schnell zu den Akten gelegt. Da ist es doch viel ver- und einträglicher, sich dieses flotte Gitarrenriff zu nehmen und die Walfischfängertochter Anja Ryne davon singen zu lassen, wie die Sonnentropfen allüberall auf sie herabregnen. Da sind wir dann plötzlich mitten in den Sixties, und das war ja keine der schlechtesten Dekaden, und warum eigentlich nicht.

6.4., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41, Kreuzberg

Der Melody Maker hatte mal ein recht vernichtendes Urteil über sie parat: Camel würden sich „nicht neu, aber nett“ anhören. Und das bereits zu einer Zeit, als die 1970 in London gegründete Combo wenigstens finanziell noch recht erfolgreich war. Nach der verdienten Auflösung 1984 formierte Alleinherrscher Andrew Latimer vor fünf Jahren ein neues Rentensicherungsunternehmen unter dem alten Namen. Und die Menschen dankten es ihm, daß er ihnen die Gehörgänge mit Keyboardschwaden von niemals zuvor gehörten Ausmaßen vollkleisterte.

Nicht zu vergessen die mystisch klagenden Gitarrensoli. Garantiert nur bekifft zu ertragen.

7.4., 21 Uhr, Knaack

Stell dir vor, es gibt da diese Schülerband, die Britpop so unheimlich toll findet, sich ein paar Pilzköpfe wachsen läßt und auch irgendwie so ähnliche Musik macht. So hören sich No Way Sis denn auch an. Bisheriger Karrierehöhepunkt der fünf Engländer: Die Megagallaghers von Oasis schickten sie als Doppelgänger zu einer Preisverleihung.

8.4., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Zum zweitenmal in nicht einmal einem halben Jahr beehren Laibach unsere kleine Stadt mit ihren Hirschgeweihen und Coverversionen. Zuletzt mußten der Musical-Gassenhauer „Jesus Christ Superstar“ und „The Cross“ von Prince dran glauben. Das Prinzip blieb sich gleich: Mit dieser fiesen Stimme hört sich die Sache gleich ganz teuflisch an, und die Skala für böswillige Interpretationen ist weit nach oben offen. Die Gitarren sind so satt wie nie zuvor, aber so neu ist die Erkenntnis ja nun nicht gerade, daß Heavy Metal sich einen Gutteil seines Popanzes von der römisch-katholischen Kirche geklaut hat.

Seit mehr oder weniger klar ist, daß Laibach keine Faschisten sind, funktioniert es nicht mehr so richtig, das Verwirrspiel, das ich jetzt gerne dialektisch oder dekonstruktivistisch nennen würde, wenn ich nur genau wüßte, was das ist. Auf der Bühne aber sind Laibach immer wieder ein Erlebnis – und wenn nur, um mitzukriegen, wie anfällig ein jeder für faschistische Ästhetik ist.

8.4., 21 Uhr, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg

Thomas Winkler