Konkretes Irgendwie

■ "Untergang ist nicht verboten / In der Straße der Bedrohten": Der Zeichner Fil

Vielfältig ist die Berliner Zeichnerszene: Künstler (Anke Feuchtenberger, Atak, Holger Fickelscherer, LGX Mousli), pointensichere Kartoonisten (OL, TOM, Rattelschneck) und Fil. Fil, der in seinem anderen Leben als Conférencier arbeitet und gern auch mal auf kleinen oder großen Bühnen AC/DC covert, sitzt seit einigen Jahren, wie man so sagt, zwischen Stühlen, die man auch anders hinstellen könnte. Eigentlich ist Fil möglicherweise eher ein schlechter Zeichner, könnte man sagen. Oder auch andersrum: Eigentlich ist Fil der Schriftsteller unter den Zeichnern dieser Stadt.

Vor vier Jahren hatte der Künstler seinen ersten Hit im Vokabelheftformat. „Stups & Krümel“. Ganz seltsames Heftchen. Einerseits unglaublich lustig – man zeigte es allen neuen Freunden und wartete gespannt, ob jemand lacht, was dann auf eine längere Freundschaft hindeuten würde –, andererseits ein selten konsequent durchgezogenes Sprachspiel. Der Jargon von „Ätzi und Fetzy, den zwei Jugendlichen“ überzeugte (viel mehr als jede soziologische Untersuchung) durch schiere Performativität; die Sprache meinte nichts mehr als sich selbst: „kurbelt schräg hinter Mutter“, „bravorio, Mutter, aber ungern“, „sago bago“ oder „überfrühstens eingesummt“.

Wär' Fil bei seinen jungen Helden geblieben, wäre er vielleicht inzwischen Millionär; doch Ätzi und Fetzy hatten gesagt, was zu sagen war. Vor zwei Jahren startete Fil seine always ultra-Heftreihe mit anderen, denen oft nur wenige Bilder blieben, ihre Sicht der Welt zu verkünden. Die hießen Kurt Vonnegut, Horst, Doris und Hardbold, Punker Huber und Punker Schmitt und beeindruckten durch seltsame Beschimpfungen – „Fotzenfrosch“ – und eine im Comicgenre eher seltene ironische Melancholie. In einer seiner schönsten Geschichten (von 93) treffen zwei Rumhängerprolpunks die Technoqueen: „,Punker Krause, Punker Schmitt: / Techno-Dancing ist der Hit‘, verkündet sie frohgemut, die Faust energisch hochgereckt. Verständnisunsinnig schauen die Punker. ,Ich weiß, ihr könnt das nicht verstehn / ... Na ja, war super, euch zu sehn‘ / Und die Technoqueen geht wieder / Ihr sind die zwei viel zu bieder / ,Techno-Power‘, denkt sie still / Weil sie nichts andres denken will / Bald ist sie nicht mehr zu sehn; / Und noch immer stehn / Punker Schmitt und Punker Huber / sich einander gegenuber / Steh'n da so und schweigen munter / Und die Sonne geht bald unter. / Bald ist sie nicht mehr zu sehn / Könn' die Punker nichts dran drehn: / Untergang ist nicht verboten / In der Straße der Bedrohten.“

Mittlerweile ist Fil, der sich aus lauter Begeisterung für den Osten inzwischen mit kyrillischen Buchstaben schreibt, beim dritten Heft von always ultra angelangt. „Das heitere Heft, empfohlen von den Smashing Pumpkins!“ überzeugt diesmal vor allem im Intro, das sich allerdings ungefähr bis zur Mitte hinzieht. Da stehen also die jugendlich-dämlich-lustig-daneben grinsenden drei Popstars, vermutlich in erster Linie, weil ihr Bandname irgendwie so klasse klingt, freuen sich, daß sie im Heft sind, loben den scheuen Zeichner und fassen recht krude den Beginn einer ausweglos ineinander verschachtelten russischen Geschichte aus always ultra 2 zusammen, die im neuen Heft fortgesetzt wird. Worum es geht, ist zu strange, um es hier zu erzählen; sehr geschickt und konsequent seltsam jedenfalls spielt Fil mit den Versatzstücken russischer Märchen.

Man könnte von verschwimmenden, durchgestrichenen Versuchsidentitäten im Werke des Künstlers sprechen, von deconstruction, bricolage, der Freude an einem konkreten Irgendwie und der Unmöglichkeit, anders als im witzigen Zitat zu sprechen. Man kann es aber auch lassen. Fil „ist viel lustiger wie wir, obwohl er alleine ist und wir zu dritt“, meinen die Smashing Pumpkins. Detlef Kuhlbrodt

Fil: „always ultra“ 1 bis 3, je 7,70DM. Auch noch erhältlich: „Stups & Krümel“, 5DM

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