Wenn Papa klaut

Marius und der peinliche Vater  ■ Von Heike Haarhoff

Es gibt Dinge im Leben Sechsjähriger, die sind unverzeihlich. „Nie mehr“, schwört Marius sich und der taz, will er schwimmen gehen. Jedenfalls nicht mit dem Papa. Da hilft es nichts, daß der sich den Mund fusselig redet, Marius solle noch ein bißchen trainieren, um endlich schwimmflügelfrei durchs Wasser paddeln zu können. In vier Wochen schließlich beginnt in den elf Hamburger Freibädern die Saison.

Doch all das hindert den Sechsjährigen nicht, seinen Ruf als Wasserratte aufs Spiel zu setzen. Denn Marius schämt sich „ganz doll“– für Papa. Mit dem geht er immer ins Hallenbad, und irgendwann, wie das so ist, wenn man sich nach dem Schwimmen schnell umziehen muß, weil Papa wichtige Termine hat, bleibt Marius' linker Schwimmflügel liegen. Nicht nur, daß er dem aufblasbaren Plastikteil hinterherweint: Papa und seine Freundin wollen keinen neuen kaufen. Statt dessen fragt Marius' Vater beim nächsten Schwimmgang den Bademeister, ob nicht zufällig ein Flügel abgegeben worden sei. „Meinen Sie den hier?“Ein Griff in eine Kiste, Marius schnappt nach Luft, natürlich sieht das Teil dem verlorenen nicht im entferntesten ähnlich, doch da sieht er den Alten schon beherzt zugreifen. „Ja, das ist unserer, gell?“

Väter können peinlich sein. Aber es kommt noch schlimmer. In der Umkleidekabine verfolgt Marius mit versteinerter Miene, wie erst die Luft herausgelassen wird und die fremde Flosse dann in der Tasche verschwindet. „Papa....??“Doch der schreitet bereits zielstrebig zum Ausgang. Marius hinterher. „Das sag ich an der Kasse! Das darfst Du nicht, gib den Schwimmflügel her!“So'n Quatsch, denkt Papa und fragt sich, wieso bloß Marius nach seiner rechthaberischen Mutter geschlagen ist.

Das Gebrüll wird lauter, die väterliche Autorität fühlt sich herausgefordert. Die „Klappe“soll Marius halten, die Schwimmstütze werde jetzt „gemopst“. Wo ist da noch Gerechtigkeit? Darf man den eigenen Vater verraten? Marius sagt gar nichts mehr.

Nur zu Hause, da setzt er sich hin, schwört Rache und weint, „weil der Papa klauen muß“.