Matthias Beltz in den Kammerspielen

Die spärliche Ausstattung, die Geräuschkulisse von Martinshörnern und Flugzeugen und die ernste Stimme des Mannes erklären uns, daß wir uns in einem Bunker befinden. Die szenekneipig gelb-orange getupften Wände und der mit knallrotem Hemd kontrastierte Nadelstreifenanzug desselben Mannes lassen ahnen, daß das normal ist. Und entertaining: Für den Katastrophenclown haben wir schließlich gezahlt. Draußen zieht ein Castor vorbei, der langsam, aber sicher zum Kasper mutiert.

Matthias Beltz macht auch in seinem neuen Kabarett-Programm Mehr Geld! Weniger Ärger! „ein bißchen Unterhaltung aus staatspolitischer Verantwortung“. Seine Anamnese des „medizinischen Grundgefühls der Epoche“als ein „Es geht mir gut. Aber was nützt mir das?“führt ihn über die Beobachtung, daß es „keine Taten, nicht einmal Attentate“mehr gibt, schnell zur Malaise unserer Zeit und somit zum Thema seines Abends: der Verlust der Utopien und die Notwendigkeit einer Revolution. Die aber gestaltet sich schwer bei einem Volk, das zu 95 Prozent beim Aufstehen weder an Aufstand noch an eine dekonstruktivistische Betrachtung des Kopfkissens denkt, sondern allein an körperliche Entleerung.

Fast zwei Stunden redet, philosophiert und parodiert der Frankfurter Kabarettist ununterbrochen. Wie schon bei den vorherigen Gastspielen in der Hansestadt überzeugt er auch diesmal durch sprachliche Souveränität und die faszinierende Kompetenz, kohärent über schätzungsweise 950 verschiedene Themen zu sprechen. Beltz präsentiert keine ermüdende Nummernrevue, sondern einen Fluß von Pointen, deren temporeiche Verbindung oft waghalsig, doch stets nachvollziehbar ist - das gemeine fragmentierte Bewußtsein des 20. Jahrhunderts immer vorausgesetzt.

Ulrich Waller führte Regie bei dem Programm, das eigentlich eine Notoperation ist: Die Kammerspiele hatten eine Komödie über einen Witzeerzähler und einen Literatur-Rezitator geplant, die Matthias Beltz und Ulrich Wildgruber auf den Leib geschrieben war. Als der Schauspieler absprang, mußte innerhalb kürzester Zeit die Produktion so umgekrempelt werden, daß außer einem Dialogfetzen, der Rolf Hochhuth als an „endogener Harmlosigkeit leidend“diagnostiziert, nichts mehr von ihr übrig ist.

Die Nonchalance, mit der Beltz im Vorübergehen Hiebe unter die Gürtellinie austeilt, ließ das Publikum bei der Premiere so laut aufkreischen, wie man in Hamburgs Theatern selten Äußerungen vernimmt. „Gott ist tot“, sprach da der Katastrophenclown mit mitleidigem Blick ins Publikum, „das sieht man doch schon an seinen Produkten.“ Christiane Kühl