Geschäftsmann und Autonome

■ Ein neues Finanzierungsmodell für die Kammerspiele

Der Titel der jüngsten Premiere bringt es auf den Punkt: Mehr Geld! Weniger Ärger! lautet der Stoßseufzer, den Ulrich Waller und Ulrich Tukur, seit Sommer 1995 künstlerische Leiter der Hamburger Kammerspiele, vermutlich schon sechs Monate ausstoßen. Solange nämlich führen sie bereitsGespräche mit Jürgen Hunke, Vorstand der Betriebs- und der Besitz GmbH des Theaters, über die Zukunft des Hauses. Jetzt zeitigt die zähe Verhandlung ein Ergebnis: Am Montag wird von den Männern ein Vertrag unterzeichnet, der die künstlerischen Leiter über ihre neu gegründete Hamburger Produktions GmbH ab dem 1. August als haftende Gesellschafter des Theaters ausweist und ihnen den Theaterbetrieb unter der Patenschaft der Kulturbehörde allein unterstellt.

„Ich bin kein Mäzen, ich bin jemand, der aktiv mitgestaltet“, erklärt Hunke sein Engagement für die Kammerspiele. Über vier Millionen Mark hat der Ex-HSV-Präsident und neue Spitzenkandidat der Statt-Partei mit seinem Partner Dirk Schmidt-Prange in das Haus gesteckt, um den nach diversen Intendanzwechseln maroden Theaterbetrieb zu sanieren. Doch Hunke, der Aktive, wollte mehr als Geldgeber sein.

Hier lag der Reibungspunkt mit Tukur und Waller, die, ganz im Gegenteil zu Hunkes Ambitionen, künstlerisch autonom arbeiten wollen. „Da kam von Hunke völlig unerwartet das Angebot, den Laden doch selber zu machen“, berichtet Waller, der in den letzten zwei Jahren nach eigenen Angaben „einen Crash-Kurs in Kapitalismus“gemacht hat. Da er ein „Theater der Produzenten“sowieso für das Theatermodell der Zukunft hält, war er am Vorschlag interessiert.

Über die Bedingungen der Übernahme des Theaterbetriebs gab es allerdings erhebliche Differenzen. Vor allem die von Hunke geforderte monatliche Miete von 25.000 Mark mußte erst mit Hilfe von Kultursenatorin Christina Weiss auf 15.000 gedrückt werden, bevor ein autonomer Betrieb des Theaters realisierbar erschien. Das Theater erhält 1,5 Millionen Mark Subventionen und erspielt jährlich etwa weitere 2,5, womit es eine ausgeglichene Bilanz aufweisen kann. Zusätzlich sollen nun Paten geworben werden, die das Modell mit mindestens 5000 DM unterstützen.

Kurz vor der Vertragsunterzeichnung signalisieren die Partner nach außen Einigkeit, doch Hunke, der sich ob seines selbstlosen Einsatzes für die traditionsreiche Institution einen „Sozialromantiker“nennt, wollte im Februar noch die gesamte Belegschaft feuern. Dem gebeutelten Haus in der Hartungstraße ist ein Erfolg des neuen Modells aus ganzem Herzen zu wünschen – eine Alternative würde es wohl nicht mehr geben.

Christiane Kühl